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Brief von Gertrud Isolani an Grete von Urbanitzky, verm. 1944, 1. Seite
Archivalie
Brief von Gertrud Isolani an Grete von Urbanitzky, verm. 1944, 1. Seite
Brief von Gertrud Isolani an Grete von Urbanitzky, verm. 1944, 1. Seite

Archivalie

Absender*in (DE, 1893 - 1989)
Empfänger*in (1891 - 1974)
Datierung[1944?]
BeschreibungTranskription:

17. Januar
Liebe Frau von Urbanitzky,
Ihr schöner und so freundlicher Tannenschmuck
ziert noch immer unser so nüchternes Zimmer
mit den 10 Bettgestellen nebst Strohsäcken. Meine
9 Kameradinnen und ich haben viel Freude
daran, wie an all dem Köstlichen Inhalt Ihres
liebevollen Pakets .Leider sind unsere Schreib-
möglichkeiten noch mehr eingeschränkt, sonst
hätte ich Ihnen nach meiner ersten Dankkarte
nochmals geschrieben. Hoffentlich haben Sie in
Luzern recht erholsame Tage verlebt und das
neue Jahr gut begonnen. Ich habe in den letzten
Wochen viele Nachrichten aus Frankreich erhalten,
aus allen möglichen Gegenden, aber leider nicht
von Mme Kubié, auf deren Brief ich sehr wartete.
Haben Sie Nachricht von ihr bekommen? Sobald
die Posst wieder nach Frankreich funktioniert,

wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie ihr meine
Grüsse übermittelten und ihr schrieben, wo wir
sind, und dass es uns gut geht. Sie setzt sich sehr
für Ihre Bücher ein und kann Sie beim "Temps"
bestimmt placieren. Haben Sie in Luzern mit
Herrn Dr. Boesch vom Luzerner Tagblatt ge-
sprochen und kann ich dort Ihr Buch bespre-
chen? Ich erwarte es mit grosser Ungeduld.
Hier sind viele Kunst-, Musik-, Literaturaben-
de vor etwa 200 Kameraden und vielen Gästen
von draussen. Es sind gute Musiker, Schauspieler,
Opernsänger von grossen deutschen und franzö-
sischen Bühnen hier, bekannte Komiker, Kaba-
rettisten, Wissenschaftler, Literaten, Filmleute.
Jeden Sonnabend und Sonntag Revuen, Theater-
stücke, Konzerte, Vorträge. Ich selbst las kürzlich
aus meinem neuen Roman vor, der im Camp
Gurs spielt, und an dem i h sehr intensiv ar-
beite, leider immer noch ohne Schreibmaschine und

unter den schwierigsten Bedingungen. (Lärm,
Krach, dazwischen Hausarbeit und ewige Kar-
toffelschäl-Corvée!) Gern würde ich aus Ihrem
Buch vorlesen und darüber sprechen. Im Israeli-
tischen Wochenblatt, Zürich, berichtete ich über
diese Abende, auch über Bücher. Schreiben Sie mir,
ob es dort schon besprochen ist, (dann) wenn nicht,
dann würde ich es gern machen, aber bald das
Buch bitte schicken! Sie kennen meine neue Adresse.
Auch für die Basler Nachr. schreibe ich wieder
ziemlich regelmässig. Aber bitte Diskretion! Nur
ist leider kein Comité bisher da, das uns unter-
stützt, bisher habe ich nur kleine ausstehende
Honorare einkassiert, wovon Briefmafrken, Schreib-
papier, Zigaretten etc. bestritten werden. Das, was
uns fehlt: Ein noch so kleines aber regelmässiges
Taschengeld. Oprecht hat sich überhaupt noch
nicht gemeldet. Der Teil meines Gurs-Romans, der
bei ihm liegt, ist bereits Herrn Manfred George,
Chefredakteur vom "Aufbau" in New York von

mir versprochen worden; er wartet darauf. Wenn
Oprecht eine Copie machen lassen und ihm die
ca. 70 Seiten schicken könnte, würde bald ein
Abdruck im "Aufbau" ermöglicht werden, und
ich könnte von dort Geld bekommen.
Nun fange ich wieder an, Sie mit Fragen
und Bitten zu belästigen, wo Sie doch schon
so viel für mich tun und so lieb für mich
sorgen. Aber Sie verstehen ja Alles mit Ihrem
gütigen Herzen und werden auch meine
Ungeduld verstehen, meinen Drang nach
Aktivität und nach – Freiheit. Aber daran
darf ich vorläufig noch nicht denken.
Mit dankbaren und herzlichen, stets ge-
treuen Grüssen bin ich immer
Ihre
G.I.

KlassifikationArchivalie
Anzahl/Art/Umfang1 eigenhändiger Brief mit Unterschrift
ObjektnummerHHI.2016.G.1001.343