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AMMERS-KÜLLER Jo van 13.06.1931
Korrespondenz von Jo van Ammers-Küller an Grete von Urbanitzky
AMMERS-KÜLLER Jo van 13.06.1931
AMMERS-KÜLLER Jo van 13.06.1931

Korrespondenz von Jo van Ammers-Küller an Grete von Urbanitzky

Absender*in (1884-1966)
Empfänger*in (1891 - 1974)
Datierung1931-1945
BeschreibungTranskriptionen

AMMERS-KÜLLER Jo (1884-1966) E.Br. m. U., Bussum, Thuisbest, J. Evertslaan 7. 6.11.1945. 4 S. an Grete von Urbanitzky.
(Darunter in anderer Handschrift: - 25.3.46)

Liebe verehrte Frau von Urbanitzky,
Eure Bekannte aus der Schweiz
schickte mir die Adresse Ihres Verlegers. Hoffent-
lich erreicht Ihnen dieser Brief in guter Ge-
sundheit, wir haben in so langer Zeit nichts von
Einander gehört. Wie ich annehme haben Sie
in die Schweizer Zeitungen gelesen das hier ein "Ehren-
rat" mich verurteilt hat daß ich 8 Jahre von jeder
Publikation ausgeschlossen sein sollte - d.h.
diese Ehrenrat ist Gottlob kein Gericht, ihre
Aussprache ist nur "avis". Die Herren
dieses Ehrenrat (zwei sind meine größten Feinde)
haben jetzt endlich, nach vierzehn Jahren, Dubrov-
nik gerächt!! Wie schwierig für mich, die natür-
lich als vollständig "pro Deutsche" galt, die fünf
Kriegsjahren waren, können Sie vielleicht verstehen.
Zumal als hier die Lage furchtbar ward, die
Deutschen sich oft verhielten als Räuber und Bar-
baren. Natürlich habe ich die genau so gehaszt
als wir alle, nur gehörte ich nicht zu den Menschen,
die alle Deutschen als Mörder betrachteten, und
wer dasz nicht tat, galt schon als pro-Deutsch.
Das Ungerechte Urteil sagt: ich hätte die national
sozialistische Propaganda gefördert. Das habe ich

aufs sorgfältigste unterlassen. Ich habe nie, wäh-
rend der Besatzung im Radio gesprochen. Aber ich habe
ein Buch (Familie ?) veröffentlicht und...das ist schon genug um einen
zu verurteilen. Kein Mensch kann sich vorstellen,
was sich hier abspielt, nicht nur unter Künstler, auch
unter Professoren, hohen Staats- und Gemeinde Beam-
ten.u.s.w.. Überall sind "Ehrenrate" d.h. überall
können jetzt die Kleinen, Erfolglosen, sich rächen
an den Grossen.
Für mich haben sie es wirklich teuflisch gemacht.
Ich hatte eigentlich nichts getan wofür sie mich
verurteilen konnten, und sie hatten mich doch
schon in 1940 in anonymen Briefen versprochen
dasz ich gehenkt werden sollte, wenn der Krieg
vorbei war. Da haben sie jetzt einen privé-Brief ver-
öffentlicht den ich kurz nach unserer Kapitu-
lation an einen jetzt verstorbenen National Sozia-
listen geschrieben habe und der - sehr pro-deutsch
war! Der Chef-Redakteur der Zeitung ist Mitglied des
Ehrenrates......die jetzt in ihrem Urteil sagen konnte
dasz J.v.A.K. die National Soz. Propaganda "geför-
dert hat". Nur ist es daher schlimm, weil
jetzt in Deutschland von Nat. Soz. nur als von einem
Verbrechen geredet werden darf; dasz ich auch noch
während des Krieges "pro deutsch" war (wenigstens
einigermaszen war) werden meine Millionen
Leser mir gewisz schon verzeihen. Hoffentlich
gelingt es nur das Urteil so geändert zu be-
kommen, dasz nur von pro deutsch und nicht
von Nat. Soz. Propaganda geredet wird. Was die
Strafe anbelangt, die ist völlig lächerlich und
wird gewisz gemildert werden, aber ich verlange
keine Amnestie, sondern Recht!
Es ist eine schlimme Zeit, und wie haben wir
uns nach dem Ende des Krieges gesehnt.

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Sie werden gewisz sehr froh sein dasz Sie jetzt in
der Schweiz leben. Das arme Österreich. Und das
arme Deutschland. Mein Gott, was hat Hitler diesen
Ländern angetan! Das er so lange durchgehalten
hat, als doch alles schon verloren war, noch so
viel verwüstet wurde, können Sie das verstehen?
Sind Sie noch eifrig bei der Arbeit? Und ist Mia
Passini noch immer mit Ihnen? Zufällig hörte
ich vor ein Paar Wochen im Schweizer Radio dasz Felix
Salten gestorben ist. Wie lange sind die schönen
Konkress Tagen her. Es ist wie ein Traum aus einer
anderen Welt. Wir haben furchtbares durchgemacht
hier. Und ich denke nicht, dass ich noch eine ruhige
normale Welt sehen werde. Es ist kein Friede. Was
wird Rusland mit Ost Europa tun? Ich war in 42
und 43 noch in Budapest (meine Bücher hatten da
grosze Erfolge, daher bekam ich ein Visum) sie hatten
einen Höllenangst für die Russen, sie hatten es
schon einmal erlebt! Aber pro-deutsch waren
sie damals auch nicht mehr.
Ich möchte hier fort, je eher je lieber. Konnte
ich nur beim Roten Kreuz arbeiten, dasz täte ich
gern, es wird jetzt doch eine grosze Hilfsaktion
für Deutschland organisiert. Aber solange auf
mir dasz Odium lastet dasz ich die Nat. Soz.
Propaganda gefördert habe, lassen die Alliierten
mich gewisz nicht in Deutschland hinein. Haben
Sie Absicht in absehbarer Zeit nach Österreich zu-
rück zu kehren? Oder bleiben Sie in der Schweiz.
Ich möchte auch in der Schweiz leben, hoffe in ein
Paar Jahre wieder reisen zu können. Aber wir sind
ein armes ausgeplündertes Volk, es wird keine

"Devisen" geben und alle die Misère welche die Deut-
schen vor dem Kriege hatten, wenn sie mal ins Ausland
reisen wollten!
Können Sie sich vorstellen dasz in Deutschland
dieser ganze gewaltige Naz. Sozialismus zu Ende ist,
"ausradiert" wird? Und doch- und doch- das Gute
machen jetzt die Andern nach. Naz. Soz. In Kombi-
nation mit Krieg - das war die Hölle, dasz haben
wir hier erlebt.
Bekommen Sie Nachrichten aus Wien? Ich höre
nichts aus Deutschland. Meine Schwiegertochter
hörte noch immer nichts von ihrer Mutter die (Hollän-
derin) in der Nähe von Köln lebte. Ich habe schon
fünf Enkelkinder, und völlig weisze Haare.
Die Kriegsjahren zählten doppelt, ich fühle mich
eine alte Frau. Aber obwohl man mich als
Schriftstellerin "ausrangiert" hat, bin ich noch
tüchtig an der Arbeit. Ich lebe seit 39 drauszen
in einer Gartenstadt, in ein reizendes Haus mit
einem herlichen Garten. Aber ich möchte jetzt
fort, fort, aus dem kleinen engen Holland mit
seinen kleinlichen bornierten Menschen.
Mein ältester Sohn muß als Offizier der
"Expeditionäre Macht" beitreten und nach Indien.
Für seine Frau und drei Kinder eine schlimme
Sache, aber er will, als alle hier, gerne hinaus,
nur hinaus! Ich werde mich sehr freuen mal von
Ihnen zu hören. Können Ihre Bücher jetzt wieder
in Deutschland verkauft werden? Die "Familie ?"
wurde von der Gestapo beschlagnamt da es als anti-
national-sozialistisch galt. Aber ich hätte doch
die Naz. Soz. Propaganda gefördert. Man könnte
lachen wenn es nicht so traurig war. Man sagte
mir Sie leben in Ascona. Das passt zu Ihnen. Ist es
da noch international wie früher..... mit sehr vielen
Juden? Mit freundlichen Grüszen auch für Frau
Passini, immer Ihre erg. Jo van Ammers Küller


AMMERS-KÜLLER Jo van (1884-1961) E.Br. m.U. Bussum, Evertslaan 7, o.D.

Liebe Frau Grete,
Das hatten wir gewisz
nicht erwartet als wir zusammen in
Ihrem netten Pariser Heim saszen und
so herzensruhig Pläne für die Zukunft
besprachen! Ich war tief überzeugt es würde
kein Krieg kommen, ich glaubte wie
Millionen Deutsche: "der Führer macht
kein Krieg".
Übrigens ich habe noch immer Hoffnung
dasz es zu dem groszen Krieg im Westen
nicht kommen wird. Aber was für
Zeiten erleben wir! Was ändert sich

in wenigen Tagen in unserem alten
Europa. Wenn ich denke wie eng
verbunden die Finnen mit dem neuen
Deutschland waren und wie sie die
Russen haszten und fürchteten. Was
wird aus uns Allen? Aus meinem klei-
nen Land das wie eine Apfelsine
zwischen den Tanks der Groszmächte
liegt. Wie Sie sehen habe ich eine
andere Adresse, wohne jetzt in einer
Gartenstadt 25 Minuten mit Auto von
Amsterdam. In einem kleinen hübschen
Landhaus, unendlich billiger und ruhiger! als in
meinem groszen Haus in Amsterdam
und, welch eine Wonne, fern von den
deutschen Juden die meinem Quartier
überschwemmten!

Natürlich ist meine Lage mit dem
Krieg wie die Ihrige sehr unsicher.
Wird man noch Bücher verlegen
in Deutschland? Man sagt mir "ja"
aber wird es mir noch möglich sein
mein Geld nach Holland zu bekommen?
Ich fürchte dafür.? hat eine
Film Gesellschaft den Roman Prinz Incog-
nito erworben! Da haben Sie . . .
auch . . . denn sie werden jetzt
keine Scenario's von England oder Frank-
reich kaufen und deutsches Material nehmen.
Sie fragen mich nach der besten Ausliefe-
Rungsfirm in Holland: der Verlag
Meulenhoff Bokin Amsterdam.
Ich bin momentan mit deutschen Verlegern
in Verbindung, habe mich jedoch nicht ge-
bunden. Und werde nur abschlieszen,

wenn ich weisz das ich das Geld über die
Clearing (die jetzt in Hochbetrieb ist) bekommen
kann. Geschieht das nicht dann möchte
auch versuchen in der Schweiz zu verlegen.
Ich war schon mal im Bespräch mit Orell
Füssli der gute Verbindungen mit Deutschland
hat. Wenn er mir ordentliche Bedingungen
bieten kann wäre es vielleicht die beste
Lösung. Ich schreibe momentan einen Bio-
graphischen Roman von einer holländischen
Frau die in der Napoleonischen Zeit eine
grosze Rolle gespielt hat und die Geliebte
des Marschall Ney war. Wenn Sie ver-
(Ende des Jahres oder Anfang 40 is die deutsche Übersetzung fertig)
mitteln können wär das sehr schön.
Wie nett dasz Sie Felix Salten gesehen
haben. Grüszen Sie ihn gelegentlich herzlich
von mir. Wegen des Umzugs beantworte ich Ihren
letzten Brief erst so spät. Meine Vorträge in
Deutschland im Januar werden, wie man mir
eben schrieb voraussichtlich stattfinden!!
Mit herzlichem Grusz auch an Frau Passini
immer Ihre erg. Jo van Ammers-Küller



KlassifikationArchivalie
Anzahl/Art/Umfang1 Brief mit Unterschrift mit eigenhändiger Tischkarte mit zahlreichen Unterschriften ; 2 eigenhändige Briefe mit Unterschrift
ObjektnummerHHI.2016.G.1001.9