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Brief von Eduard Fuchs
Korrespondenz von Eduard Fuchs an Heinrich Meng
Brief von Eduard Fuchs
Brief von Eduard Fuchs

Korrespondenz von Eduard Fuchs an Heinrich Meng

ObjektbezeichnungBrief
Absender*in (1870 - 1940)
Empfänger*in
Datierung1928
Beschreibung"Verehrter Genosse Dr. Meng!
Ich hoffe, Sie werden mir nicht böse sein, wenn ich Ihnen sage, dass es mir unmöglich ist, die Propaganda zur Erteilung eines Nobel-Preises an Prof.Freud zu unterstützen. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass ich zu denen gehöre, die den wissenschaftlichen Leistungen von Freud die höchste Achtung zollen und ihrer Auswirkung eine überaus grosse Wichtigkeit beimessen. Aber ich gehöre andererseits auch zu jenen, die im Nobel-Preis eine der ekelhaftesten Komödien der verlogenen bürgerlichen Kultur erblicken. Schwätzer wie Quidde bekommen einen Preis, volksparteiliche Minister wie Herr Stresemann, die genau so imperialistisch eingestellt sind wie ihre Vorgänger im Weltkrieg. Und die Mehrzahl der Preisträger der andern Länder zählen in die gleiche Kategorie. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass man durch derartige Kindereinen nicht den Frieden vorbereitet, sondern nur die Massen betölpelt. Die dritte Seite ist die, dass ein Forscher von Rang und von Bedeutung nicht durch ein derartiges Geldgeschenk (das aus der Fabrikation des wichtigsten Kriegmittels, des Dynamit, ermöglicht wird) geehrt werden kann, sondern höchstens kompromittiert wird.
Das ist meine Meinung gegenüber dieser Frage. Wie geht es Ihnen? Wann wird man Sie oder Ihre verehrte Gattin einmal in Berlin begrüssen dürfen? Hoffentlich recht bald. Ich war unterdessen in Russland und bin mit den gewaltigsten Eindrücken zurückgekehrt. Dort ist wirklich eine neue Welt im Werden ; ja, noch mehr, der erste Kulturstaat überhaupt den die Geschichte aufzuweisen haben wird. Noch zehn bis zwanzig Jahre und die Welt hat ein neues Gesicht und endlich ein menschliches. Mit diesem stolzen Bewusstsein reist man wieder nach Hause. Wenn Sie hieher kommen, werde ich Ihnen manches Interessante erzählen.
Meine Stuttgarter, resp. Münchner Angelegenheit ist immer noch nicht zu Ende. Aber ich glaube, dass sich unsere Position immer mehr bessert.
Die verbindlichsten Grüsse an Sie und Ihre verehrte Gattin
Ihr Eduard Fuchs."
KlassifikationArchivalie - Korrespondenz
Anzahl/Art/Umfang1 Brief mit Unterschrift
AbsendeortZehlendorf
ObjektnummerHHI.94.5036.421