ObjektnummerHHI.2010.1000.338
Korrespondenz von Otto Stoessl an Carl Enders
Absender*in
Otto Stoessl
(AT, 1875 - 1936)
Empfänger*in
Carl Enders
(DE, 1877 - 1963)
Datierung1908-1920
BeschreibungWien, den 6.5.1908: S. bedankt sich für Enders Brief, der die Aufforderung zum Beitritt in die "Literaturhistorische Gesellschaft Bonn" enthielt. Er komme dieser Bitte gern nach, nicht jedoch der Einladung zu einer Darstellung seiner "eigenen dichterischen Ziele und Bestrebungen". S. fühlt sich "in einem widrigen Amtsberufe" stark in Anspruch genommen, und außerdem hat für ihn "jede subjektive Äußerung (...) - wenigstens momentan - (...) etwas Störendes und Verwirrendes, das ich vermeiden muss, um die Quelle der reinen Produktion nicht zu trüben.""Ich hoffe, Sie würdigen diese Gemütsverfassung und Stimmung bei einem Autor, der seinen Willen nicht nur gegen die inneren, sondern gegen schwere, bekümmernde äußere Hemmungen durchzusetzen alle Mühe hat und verübeln daher diese Abneigung gegen eine Selbstdarstellung nicht weiter."
Wien, den 4.5.1917: S. kommt der Aufforderung, sich an der Litzmann-Festschrift zu beteiligen, gern nach. Er kündigt dafür "ein kleines einaktiges dramatisches Gedicht" an. Er möchte allerdings die Zusicherung, dass er "vor dem Abdruck selbst Korrektur lesen kann, denn sonst beginnen meine üblen Druckerfahrungen bereits mit dem fehlerhaft gesetzten Namen".
Wien, den 16.5.1917: S. ist dankbar, dass sich Enders durch seinen Novellenband "Unterwelt" angeregt fühlt. Er fordert ihn auf, auch seine früheren Werke beim Verlag Müller zu bestellen. "Was die Reflexionen im "Neuen Leben" angeht, die Sie als (...) allzu subjektive Begleitäußerungen des Autors empfinden, möchte ich nur bemerken, dass mir diese Novelle als geistiger Höhepunkt der kleinen Sammlung erschien und dass ich schon in der Erfindung einen typischen Eindruck des Lebens selbst ausdrücken wollte. Aus dieser tiefsten Unterwelt (...) des moralischen Elends wächst, wie zur Versöhnung und aus der Gesundungsgnade der Natur - die Kunst, der Schöpfer, der seinerseits wieder alles ausgleicht, was das Leben am Geiste sündigt, an ihm selbst verbricht. Der Künstler aber, der Schöpfer ist die höchste Bewusstheit der Natur selber, gleichsam deren eigene, sozusagen göttliche Überlegung." Für S. bietet diese Art der Literatur eine Möglichkeit der Abgrenzung zu dem "bloßen Naturalismus der Wirklichkeitsabbildung. (...) Ohne Tolstoi irgend nachzuahmen, sehe ich manche der moralischen Selbstgespräche seiner Figuren aus ihrer Situation (...) als künstlerisch vollkommene Beispiele (...) notwendiger Reflexion an und welcher geistige Mensch würde in eigentlichen Schicksalsentscheidungen nicht ebenso notwendig reflektieren, wie es in der Dichtung eben geschehen muss."
Wien, den 26.4.1920: S. teilt Enders mit, einer Veröffentlichung seines Beitrags stehe nichts im Wege, wenn er die Korrekturbögen durchsehen könne. Allerdings habe er den Text schon an anderer Stelle veröffentlicht, weil er an das Erscheinen der Festschrift nicht mehr recht geglaubt habe. Er könne natürlich auf Wunsch auch ungedruckte Gedichte zur Verfügung stellen.
aus: Horstmann, Christina: Die Literarhistorische Gesellschaft Bonn im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Dargestellt am Briefnachlaß von Carl Enders, Bonn, Bouvier, 1987
KlassifikationArchivalie - Korrespondenz
Anzahl/Art/Umfang6 eigenhändige Briefe mit Unterschrift ; 2 eigenhändige Postkarten mit Unterschrift ; 1 maschinenschriftliche Postkarte mit eigenhändiger Unterschrift
AbsendeortWien
Institution
Heine-Institut und Schumann-Haus
Abteilung
HH Schriftstellernachlässe