ObjektnummerHHI.2010.1000.202
Korrespondenz von Friedrich Lienhard an Carl Enders
Absender*in
Friedrich Lienhard
(DE, 1865 - 1929)
Empfänger*in
Carl Enders
(DE, 1877 - 1963)
Datierung1908-1917
BeschreibungStraßburg, den 19.5.1908: L. geht davon aus, dass Enders sein sechsbändiges Werk "Wege nach Weimar" nicht kenne und schickt ihm daher ein Exemplar zu. Er bedankt sich seinerseits für Enders Zusendungen, lehnt "diese seminaristische und etwas atomistische Betrachtungsweise" für sich allerdings ab. "Ich habe die Empfindung (...) dass Ihrer Vereinigung die Menschen und Stoffe, über die Sie arbeiten, an sich gleichgültig sind und mehr als Objekte für wissenschaftliche Arbeit dienen. Ich meinerseits muss mit dem Herzen erfassen können, wenn mein Geist sich erwärmen soll. Und das vermag ich weder bei Wedekind noch bei anderen Objekten, die Ihrer Vereinigung interessant erscheinen."Gräfenroda, den 16.10.1908: L. führt die Zuschriften aus dem Bonner Leserkreis auf Anregungen von Enders zurück und bedankt sich dafür. Er werde zu Proben seines Stückes "Wieland", das im Bonner Stadttheater aufgeführt würde, nach Bonn kommen und dann hoffentlich Enders kennenlernen.
Weimar, den 8.3.1917: L. hält den Gedanken für unterstützenswert, Litzmann mit einer Denkschrift Aufmerksamkeit zu erweisen. Doch obwohl er dessen Arbeit gerade in der "Literarhistorischen Gesellschaft Bonn" sehr schätze, stehe L. "persönlich (...) aber der Bonner Gruppe doch wohl zu fern. Und - offen gesagt - auch literarisch. Ein eigentlich künstlerisches Interesse an meinem Schaffen habe ich dort, wo so viel Gegenwarts-Arbeit wird, nie wahrgenommen." L. dankt Enders für dessen wohlwollendes Interesse an seiner Arbeit. "Vielleicht setzt sich zum 60ten oder 70ten Geburtstag "Lienhard der Künstler" durch, der sich jetzt damit begnügen muss, "Lienhard der Deutsche" zu sein."
Weimar, den 19.4.1917: L. bedankt sich für Enders "Klärenden wohlwollenden und zugleich mutigen" Artikel im "Literarischen Echo". Er beklagt sich über Avenarius ablehnende Haltung ihm gegenüber und betont, dass der Kunstwart ständig versucht habe, L. totzuschweigen. Demgegenüber habe Bartels seinen "Oberlin" "einen der besten deutschen Kulturromane" genannt. L. schickt Enders einige von seinen Gedichten zur Beurteilung. Er sei für jede Anregung dankbar, weise jedoch eine Beanstandung seiner bildhaften Ausdrucksweise zurück.
Weimar, den 14.6.1917: L. deutet Enders Schweigen als Ablehnung seines letzten Briefes oder Gedichtbandes. Zu einer neuerlichen herben Kritik an seiner Person im "Kunstwart" seitens Weber schreibt L.: " (...) so habe ich (...) immer klarer und sicherer einsehen gelernt, dass ich als Mensch wie als Künstler auf dem mir gemäßen Wege bin. (...). Man wird einst einsehen, dass sich bei mir Mensch und Künstler absolut decken - einst, wenn all die heute beliebten Reizmittel in ihrer Vergänglichkeit erkannt sind. Darüber ästhetisch zu streiten, wäre zwecklos. Ich habe mich nie als verkanntes Genie gefühlt, weder als verkannt - denn ich habe meine große Stille Gemeinde - noch als Genie: denn dies überlass ich den Kaffeehausgrößen."
Weimar, den 14.7.1917: L. bedankt sich für Enders letzten Brief. Zur politischen Lage schreibt er: "Vorerst muss unser Gebetswunsch sich auf den Mann sammeln, den Deutschland in dieser Stunde braucht. Auf einen Mann kommts an; das System ergiebt sich dann von selbst."
aus: Horstmann, Christina: Die Literarhistorische Gesellschaft Bonn im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Dargestellt am Briefnachlaß von Carl Enders, Bonn, Bouvier, 1987
KlassifikationArchivalie - Korrespondenz
Anzahl/Art/Umfang5 eigenhändige Briefe mit Unterschrift ; 2 eigenhändige Postkarten mit Unterschrift ; 1 adressierter Briefumschlag
AbsendeortStraßburg
AbsendeortGräfenroda
AbsendeortWeimar
Institution
Heine-Institut und Schumann-Haus
Abteilung
HH Schriftstellernachlässe