Object numberHHI.Rkult.vormaerz81
081 Reaktion des Herzogtums Sachsen-Altenburg
UntertitelZensur in Preußen
Absender*in
Karl Heinrich Johann Ernst Edler von Braun
(1787 - 1863)
Empfänger*in
Johann Ludwig von Jordan
(1773 - 1848)
Beteiligte Person
(Johann Peter) Friedrich Ancillon
(1767 - 1837)
Behandelte Person
Heinrich Heine
(1797-1856)
Date29. November 1833
DescriptionDer preußische Gesandte in Hamburg, Ludwig von Hänlein, der nun von Ancillon hinzugezogen wurde, konnte etwas Licht ins Dunkel bringen, am 4. November 1833 vermeldete er nähere Angaben zur Entstehungsgeschichte der Buchausgabe der "französischen Zustände" vermelden, welche "[...] hierselbst von Hoffmann & Campe verlegt wurde und in jedem Buchladen und jeder Lesebibliothek zu haben ist. Der Autor dieses Machwerks wollte die von E.E. erwähnte, in Paris gedruckte schmähliche Vorrede auch hier ihrem ganze Inhalte nach seinem Buch vorsetzen und drucken lassen; allein sowohl der hiesige Censor als der Verleger hat sich dieses verweigert & die lückenhafte Vorrede ist mit Hrzg. Sachsen-Altenburgischer Censur so abgedruckt worden, wie sie sich in der Anlage befindet. Späterhin wollte der Buchhändler Reclam der jüngere zu Leipzig diese Vorrede anonym drucken lassen & bei Hoffmann u. Campe in Verlagen geben, allein diese Buchhandlung hat sich auf dieses Geschäft einzugehen ebenfalls geweigert. Einige von auswärts eingesandte anonyme Exemplare der ganzen schmählichen Vorrede, sollen sofort von den Empfängern cassirt worden seyn & diese Schmutzschrift würde hier in ihrer urschriftlichen Fassung nicht wohl aufzufinden seyn."
Hier erst fällt der entscheidende Hinweis auf die Altenburgische Zensur, wohlgemerkt die Zensur der "Französischen Zustände", nicht aber den Pariser Separatdruck betreffend. Das Buch war also nur mittelbar durch das Auftauchen der unzensierten "Vorrede" erneut ins Visier der preußischen Zensurverwaltung geraten, hier in Person des Ministers der Auswärtigen Angelegenheiten Ancillon, der doch eigentlich als Mitglied des Ober-Zensur-Kollegiums längst davon hätte Kenntnis haben können.
Er wies nun seinerseits am 11. November 1833 erneut von Jordan an, beim Herzoglich-Altenburgischen Ministerium Protest einzulegen (I. HA Rep. 81 Dresden, Nr. 548 - Presse- und Zensurangelegenheiten, Bd. 1, o.P.).
In Sachsen-Altenburg gab man sich reumütig, der Herzogliche Minister von Braun antwortete von Jordan am 29. November 1833:
"[...] daß Ihrer Requisition entsprechend der fernere Debit des bei Hoffmann & Campe in Hamburg erschienenen Ausgabe der 'französischen Zustände' von Heine' untersagt, ingleichen die Beschlagnahme der etwa noch vorgefundenen Exemplare dieser Schrift alsbald verfügt worden ist. Von letzteren hat sich indessen nur noch das Censur-Exemplar vorgefunden, wie nach dem längeren Zeitraume, seitdem der Druck der Schrift hier stattgefunden hat, ohnehin zu vermuthen stand. Ebenso war das Manuscript schon früher an den Verleger zurückgeschickt worden."
Bei aller Verbindlichkeit konnte sich der sächsische Minister einen Hinweis auf den späten Zeitpunkt der preußischen Anfrage nicht verkneifen ("nach dem längeren Zeitraume") - denn Druck und Vorzensur der "Französischen Zustände" lagen Ende November 1833 schon gut ein Jahr zurück. Gleichzeitig aber stand er nicht hintan, sein
"[...] lebhaftes Bedauern über diesen abermaligen Fehlgriff der hiesigen Censur auszudrücken, welcher indessen noch aus der Zeit vor deren neuer, bis jetzt bewährter Einrichtung herrührt. Gleichwohl müssen wir bemerken, daß der damalige Censor, der übrigens bereits seit längerer Zeit von dieser Function entfernt worden ist, seinen guten Willen durch reichliche, oft über mehrere Seiten fortlaufende Censurstriche bestätigt und nur darin gefehlt hat, daß er, wie mit Recht hätte erwartet werden können, nicht der ganzen auch in ihrer verkümmerten Erscheinung noch indignirendsten Vorrede die Genehmigung zum Druck völlig versagte."
Von Jordan sandte eine Abschrift dieser Korrespondenz am 10. Dezember 1833 nach Berlin, doch scheint dieser Brief sich mit einem neuerlichen Schreiben Ancillons vom 13. Dezember 1833 gekreuzt zu haben, in dem der Außenminister nachhakte, was die Herzoglich-Altenburgische Regierung denn zwischenzeitlich unternommen habe.
Erst am 19. Dezember 1833 endlich konnte Ancillon dem Innenminister von Brenn abschließend berichten,
"[...] in welcher Art die Herzöglich-Sachsen-Altenburgische Regierung den Verstoß des dortigen Censors bei Ertheilung der Druckerlaubniß zu der oft erwähnten Vorrede zu Heines französischen Zuständen zu entschuldigen sucht, in der Anlage Abschrift desjenigen Schreibens zur geneigten Kenntißnahme ganz ergebenst mitzutheilen, welches das Herzogliche Ministerium unterm 29.v.M. in dieser Angelegenheit an den Königl. Gesandten zu Dresden gerichtet hat." (I. HA Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. II, Lit. H, Censur-Sachen. Specialia, Nr. 22 (1831-1848), Bl. 53).
Die Behördenaktivität in Sachen "Vorrede" hatte sich damit über fast ein ganzes Jahr hingezogen. Erst durch den illegal veröffentlichten Pariser Separatdruck kam die Zensur der Buchveröffentlichung der "Französischen Zustände", die doch längst verboten worden war, erneut in den Blick - ein Sinnbild für eine häufig leer laufende Bürokratie!
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz
Signatur: GSTA PK, I HA Rep. 81 Dresden, Nr. 548, Bd. 1, o.P. (ohne Abb.)
I. HA Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. II, Lit. H, Censur-Sachen. Specialia, Nr. 22, Bl. 54 (Abb.)
Literatur:
Enno Stahl, Heines "Vorrede zu den Französischen Zuständen" aus Sicht der Zensurbehörden, in: Heine-Jahrbuch, 50. Jg. (2011), S. 85-107
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Zum Leitobjekt der virtuellen Ausstellung zum Vormärz:
http://www.duesseldorf.de/dkult/DE-MUS-037814/446364
Zu den Objekten der virtuellen Ausstellung zum Vormärz:
https://emuseum.duesseldorf.de/quicksearchwrapper/vormaerz/
ClassificationsArchivalie - Korrespondenz
Curatorial Remarks1 Brief, 2 S.
SchlagwortZensur
Institution
Heine-Institut und Schumann-Haus
Department
HH Rheinkultur
Johann Ludwig von Jordan
25. Oktober 1833
(Jean Pierre) Frédéric Ancillon
15. Oktober 1833
Heinrich Heine
1832-1834