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ObjektnummerP 1951-13

Tapisserie "L'homme"

TitelGobelin "Der Mensch"
TitelTapestry "The human Being"
ObjektbezeichnungTapisserie
Künstler*in (Bruyère 1892-1966 St-Paul-de-Vence)
Datierung1945
Material/TechnikWirkerei aus Wolle, mehrfarbig

Maße(H x B): 265 x 372 cm
Beschreibung"Car voici que m'apparaît que la plus noble conquête de l'homme, c'est décidément l'homme". (Denn so scheint es mir, dass die edelste Eroberung des Menschen definitiv der Mensch ist.)
Jean Lurçat 1944 nach Claude Roy, 1956
Jean Lurçat (1892-1966) gilt als Erneuerer der Bildteppichkunst in Frankreich. Sein Schaffen wurde als "Renaissance" der Tapisserie im 20. Jahrhundert beschrieben, denn lange galt die Bildwirkerei als reines Reproduktionsverfahren, bei dem Gemälde möglichst originalgetreu in das neue Medium übertragen werden sollten.
Lurçat wurde in Bruyère als Sohn eines Postbeamten und der Tochter eines Offiziers geboren. Sein jüngerer Bruder André Lurçat wird später ein bekannter Architekt. Jean wandte sich nach einem abgebrochenen Medizinstudium der Kunst zu, als Schüler im Atelier von Victor Prouvé, dem Leiter der École des Beaux- Arts in Nancy. Sein Studium setzte er an der Académie Colarossi in Paris fort und arbeitete bis 1914 als Assistent des Freskenmalers Jean-Paul Lafitte. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldete sich Lurçat als Freiwilliger. 1916 erlitt er eine so schwere Armverletzung, dass er nicht mehr an die Front zurückkehrte.
Lurçats erste Ausstellung fand 1917 in Zürich statt und zu dieser Zeit entstanden die ersten Tapisserien, die seine Mutter nach seinen Zeichnungen knüpfte. Lurçat reiste quer durch Europa und Nordafrika und stellte in Metropolen wie Paris, London und New York aus. 1938 entdeckt er in Angers die mittelalterliche Tapisserie "L'Apocalypse d'Angers" die fortan sein Werk inspirieren sollte. Zu dieser Zeit begann er damit, seine Tapisserien in Aubusson, einem kleinen Weberort in der Region Limousin, herstellen zu lassen. Lurçat gab das Motiv vor und bestimmte die Farben für den Weber mit Hilfe eines durchnummerierten Kartons.
Während des Zweiten Weltkriegs entstanden mehrere politische Arbeiten, wie zum Beispiel die Tapisserie "Liberté", die sich gegen die Besatzung der Deutschen wandten und ein Bekenntnis zur französischen "Résistance" darstellten. Bis zu seinem Tod im Januar 1966 folgten zahlreiche Ausstellungen und weitere Arbeiten.
Die Tapisserie "L'homme" wurde im Jahr 1945 im Atelier Dumontet in Aubusson hergestellt; ihr Titel, der Name des Künstlers und die Marke der Manufaktur sind in der Tapisserie mit eingearbeitet. Ein Gegenstück mit gleichem Motiv, aber abweichender Farbgebung, befindet sich im Besitz des Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris.
Im Zentrum der Darstellung schreitet ein Mann voran und trägt über der rechten Schulter einen langen, dornigen Holzstab. Eine Eule krallt sich in sein Haar und breitet ihre Flügel aus. An dem Stab hängen fünf Waagschalen, zwei davon tragen den von Sternen umgebenen Planeten Saturn sowie die Sonne, eine weitere Trauben und Ähren. In den zwei Schalen ganz rechts stehen unbekleidet eine Frau, die sich eitel im Spiegel betrachtet, und daneben ein Mann, eine Miniatur des Schreitenden, ebenfalls mit einem Stab und zwei Waagschalen, darin die Sonne und ein Stern. Die Szene spielt sich vor Blättern, Geäst und Baumstämmen ab.
Bei der Darstellung geht es weniger um Raumtiefe, stattdessen arbeitet Lurçat flächig und mit Vereinfachungen. Aber nicht nur die Formen, sondern auch die Anzahl der Farbnuancen werden reduziert. In "L'homme" bestimmen der blaugraue Hintergrund und bräunliche Nuancen die Farbigkeit der Tapisserie.
Die starke Symbolkraft ist charakteristisch für Jean Lurçats Œuvre. In seinen Werken finden sich häufig Tierdarstellungen, bevorzugt Eulen und Hähne. Seine Auseinandersetzung mit den griechischen Mythen belegen Bildtitel wie "Apollinaire", "Petite Armoire d'Orphée", oder "Ciel de Phoebus". So lassen sich die verschiedenen Bildinhalte in "L'homme" als Verkörperungen von Figuren der Mythologie deuten. Athene tritt als Eule, Venus als eitle Frau, Apollon als Sonne und Saturn in Gestalt des Planeten in Erscheinung.
Die Sonne ist bei Lurçat ein wiederkehrendes Symbol einer optimistischen Weltanschauung. Denn obwohl er zwei Weltkriege miterleben musste, hielt Lurçat mit seiner Kunst an einer positiven Einstellung zum Leben fest. In "L'homme" wird der Mensch in eine Welt versetzt, die dem Garten Eden ähnelt, und sowohl der große als auch der Miniaturmensch treten mit der Waage über den Schultern als Richter über diese auf. Dieses anthropozentrische Weltbild knüpft an naturphilosophische Vorstellungen des 16. Jahrhunderts an, die den Menschen als Mikrokosmos und die Welt als Makrokosmos in Form eines menschlichen Organismus begreifen.
Letztendlich vermittelt Lurçat in "L'homme" den Glauben an eine gute Welt. Obwohl der Mensch die Last aller Waagschalen tragen muss und durch die Dornen zusätzlich Schmerzen erleidet, schreitet er - geleitet durch die Eule der Weisheit auf seinem Haupt - weiter aufrecht voran.
Lea Pawelzik, für Kunstwerk des Monats September 2015
KlassifikationAngewandte Kunst / Kunstgewerbe - Textil/Kostüm
SchlagwortWolle
SchlagwortTextilien
Copyright DigitalisatKunstpalast - Horst Kolberg/ARTOTHEK
Ausstellungsgeschichte2015 Düsseldorf
SPOT ON: "With a little help from my friends" - 50 Jahre Freunde Museum Kunstpalast
Moderne Meister. Der Beitrag der Freunde, 27.3.2015 - 20.9.2015
Museum Kunstpalast, Düsseldorf

Publikationen2015 Düsseldorf
"With a little help from my friends" - 50 Jahre Freunde Museum Kunstpalast, Museum Kunstpalast, Düsseldorf, S. 26
In Sammlung(en)
Institution Kunstpalast
Provenienz[...]; 1951 erworben mit Unterstützung der "Freunde Museum Kunstpalast e. V."
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