Object numberHHI.94.5036.521
Korrespondenz von Thomas Mann an Roeßler
NameBrief
Absender*in
Thomas Mann
(DE, 1875 - 1955)
Empfänger*in
Roeßler
Date1940
Description"Sehr verehrter Herr Roeßler,es ist schön, daß Sie an Heinrich denken. Ich denke an beinahe nichts anderes als an ihn und an unseren zweiten Sohn, der sich ebenfalls in Frankreich befindet, wie es scheint auf freiem Fuß, irgendwo in Marseille oder bei Toulouse. Es sind unter der Hand Bemühungen im Gange, seinen genauen Aufenthalt ausfindig zu machen und ihn mit einem überseeischen Visum zu versehen. Er selbst gibt keinen Laut von sich, und ebenso wenig tut das mein Bruder. Diese Menschen müssen sich wohl äußerst still verhalten. Golo hat man in Marseille wenigstens gesehen. Über meines Bruders Verbleib weiß ich überhaupt nichts. Ich frage mich, ob er sich bei französischen Freunden, vielleicht im Gebirge, versteckt hält, oder ob er sich gar einfach in seiner Nizzaner Wohnung aufhält und fatalistisch den Lauf der Dinge abwartet. Wäre er ergriffen worden, so hätte man das doch wohl erfahren. Von der Schweiz sowie von hier aus wird geforscht. Ein Amerikaner ist hinübergesandt, Geldmittel sind aufgebracht, um den Meistgefährdeten zur Flucht zu verhelfen. Im Grunde aber zweifle ich, ob Heinrich, der fast 70jährige, überhaupt fort will. In Amerika kann man ihn sich schwer vorstellen, und ich vermute fast, daß er es vorzieht, sein Leben in Europa so oder so zu beschließen.
Bermann-Fischer ist von Stockholm, wo er Wochen lang im Gefängnis gesessen hat, über Rußland, Japan hier eingetroffen, nach abenteuerlicher Reise, mit Frau und Kindern. Das Merkwürdigste sind seine Schilderungen von dem unbeschreiblichen Elendszustand Rußlands.
Ihnen und uns allen ist zu wünschen, daß England den fürchterlichen Sturm besteht, der ihm jetzt droht. Ihr sehr ergebener Thomas Mann."
ClassificationsArchivalie - Korrespondenz
Curatorial Remarks1 eigenhändiger Brief mit Unterschrift
AbsendeortLos Angeles
Institution
Heine-Institut und Schumann-Haus
Department
HH Autographen