ObjektnummerHHI.2015.G.4000.17
17 Robert oder Das Ausweichen in Falschmeldungen
Autor*in
Ingrid Bachér
(DE, geboren 1930)
Datierung1965-2019
BeschreibungDieser Roman ist die jüngste Veröffentlichung Ingrid Bachérs. Geschrieben hat sie das Buch jedoch schon vor langer Zeit. Sabrina Huber, Mitarbeiterin der Düsseldorfer Professorin Henriette Herwig, fand es bei Recherchen in Bachérs Vorlass. Die Autorin selbst erinnerte sich schon gar nicht mehr an das Manuskript, das sie um 1965 geschrieben und Siegfried Unseld zur Veröffentlichung im Suhrkamp Verlag angeboten hatte. Dieser wollte das Buch zunächst bringen, es existierte sogar schon ein Cover-Entwurf, so Bachér, als der Verleger sich plötzlich ohne größere Diskussion dagegen entschied. Ingrid Bachér äußerte sich in einem Interview mit den Herausgeberinnen so dazu: "Ich akzeptierte seine Ablehnung, weil ich ihn und sein Urteil schätzte. Später dachte ich, vielleicht passte ihm das Thema damals nicht, vielleicht hätte ich das Manuskript nach 1968, als vieles bewusster im Land besprochen wurde, einem anderen Verlag anbieten können."
Denn in dem Roman geht es um die kollektive Verdrängung der NS-Schuld. Der junge Journalist Robert wird mit dem Mord an seinem Nachbarn konfrontiert. Noch am Morgen hat er diesen mit seinem Vater streiten sehen, sie sind ehemalige Kriegskameraden. Der Vater hatte danach die Wohnung mit einem Stapel ominöser blauer Hefte verlassen. Man hat den Eindruck, dass es sich dabei um nazistische Propaganda handelt, ohne dass Robert diese Vorstellung tatsächlich belegen könnte.
Auch bleibt unklar, ob der Vater mit weiteren Kriegskameraden, möglicherweise einer übriggebliebenen nationalsozialistischen Seilschaft, in den Mord verstrickt sein könnte. Robert sieht diese Dinge, und da er sie nicht unmittelbar ändern kann, hat er für sich die Falschmeldung als einen Ausweg entdeckt, sich die Wirklichkeit erträglicher zu machen, ja gewissermaßen, um eine zweite erfreulichere Realität zu erzeugen. Seine Falschmeldungen sind demnach "zeitweise ausgedacht, hinzugewünscht das Gewünschte zum Vorhandenen, damit es vorhanden sei."
Das Buch ist eine frühe Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verstrickungen der Elterngeneration, das wahrscheinlich, genau wie Bachér vermutet, eine ganz andere Resonanz erfahren hätte, wenn es drei Jahre später, in den Tagen des APO-Protests, erschienen wäre.
Erschienen im Lit Verlag, Berlin 2019, hrsg. von Henriette Herwig, Sabrina Huber und Denise Pfennig.
KlassifikationArchivalie - Werkmanuskript
Anzahl/Art/Umfang1 Manuskript, Durchschlag mit handschrifltichen Korrekturen, 222 Seiten
Institution
Heine-Institut und Schumann-Haus
Abteilung
HH Schriftstellernachlässe
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