Theater Krefeld Mönchengladbach
Jens Pesel, Generalintendant:
Vor 50 Jahren, am 19. April 1950, gaben sich die Städte Krefeld und Mönchengladbach das Ja-Wort für ein gemeinsames Theater. Es war und bleibt die beste Entscheidung - auch wenn einige Stimmen anfangs das Gegenteil behaupteten. Mittlerweile sind wir das älteste Kooperationstheater in Deutschland.
Als die Räte von Krefeld und Mönchengladbach am 19. April 1950, einer Zeit, in der für den Wiederaufbau des zerstörten Deutschlands enorme finanzielle öffentliche Mittel aufgebracht werden mussten, einen Theatervertrag unterzeichneten, der die eigenständigen Bühnen der Städte zusammenführte, war nicht abzusehen, dass damit die Grundlage für eine mindestens 50-jährige Erfolgsstory geschaffen wurde. Keine andere Theaterfusion in Deutschland konnte sich über einen so langen Zeitraum behaupten. Aus den Annalen ist zu ersehen, dass die chaotischen Fusionsverhandlungen damals eher Konfusionsverhandlungen glichen, die sogar Beleidigungsklagen nach sich zogen und von andauernden Kassandrarufen begleitet wurden. Von "wilder Ehe" war die Rede, vom "grotesken Tanz um's Goldene Fusionskalb", von "Narrenspielen" und "zweifelhaftem Experiment". Befürchtet wurde ein "Absinken des Theater-Niveaus' auf den Stand einer Wanderbühne". Ein Kommentator bewertete das Vorhaben mit dem Prädikat: "kommunalpolitisch, wirtschaftlich und künstlerisch unsinnig".
Der Notzusammenschluss, den die Stadtkämmerer mit zufriedener Miene quittierten und zu dessen "Einsparopfern" etliche Künstler aller drei Sparten gehörten, wurde zunächst argwöhnisch mit einem verbindlichen "vielleicht" vereinbart. Nach 2x2 "Schnupperjahren" waren die Reste an gegenseitigem Misstrauen so weit aufgezehrt, dass ein Vertrag auf unbestimmte Zeit ratifiziert werden konnte.
Anlässlich des 25jährigen Jubiläums, "im Jahr der Silbernen Hochzeit" begründet der damalige Kulturdezernent Krefelds, Kurt Honnen, in der "Deutschen Bühne" das harmonische Funktionieren der Theaterehe damit, dass "es einen fast perfekten Ehevertrag gibt, der sämtliche Rechte und Pflichten der Partner bis ins kleinste Detail regelt. Der Städtetag nannte das Papier unlängst sogar einen Mustervertrag, und viele kooperationsbereite Städte haben sich ihn schon ausgeliehen. Die Vernunftehe hat sich bewährt".
Das Bild der Ehe musste immer wieder herhalten für die Theatergemeinschaft. Nun denn: feiern wir die Goldene Hochzeit! Im Großen und Ganzen hat es sich bis jetzt um eine glückliche Beziehung gehandelt, nicht um einen "Sarg für die Liebe", wie Max Frisch die Ehe einmal definiert hat. Eher schon könnte man der Definition John Osbornes folgen, der unter Ehe "die gegenseitige Zärtlichkeit von zwei Schleifsteinen" verstanden hat. Natürlich sind in 50 Jahren Beziehungspalaver Ehekräche und Krisen nicht ausgeblieben. Seitensprünge wurden angedroht, Scheidungen (Scheidung laut Loriot: die Korrektur eines tragischen Irrtums) eingereicht und durch Vermittlung von Paartherapeuten bzw. der Mobilisierung von Einsicht und Vernunft zurückgenommen.
Die außereheliche Beziehung des Theaters Mönchengladbach mit dem Theater Rheydt (bis 1977! Über die kommunale Neuordnung von 1975 hinaus) wurde großzügig geduldet. Bei alledem registrieren wir in den 50 Jahren Geschichte der VSB erstaunliche Kontinuität. Unter anderem: die Geschicke der Bühnen wurden bisher von lediglich 6 Generalintendanten und 6 Generalmusikdirektoren gelenkt.
"Das Bekenntnis der Politik zum Theater" (Gramss) war/ist die Voraussetzung dafür. Hinzu kommen eine sorgfältig entwickelte Organisationsstruktur, funktionierende Gremien (Kuratorium, Theaterkonferenz) und die enormen Anstrengungen der immer an der Belastungsgrenze arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf und hinter der Bühne, im Orchestergraben, in Werkstätten und Büros. Mein Dank gilt ihnen allen; auch der Gesellschaft der Freunde des Krefelder Theaters e. V. Krefeld, der Gesellschaft für Ballett und Tanz e. V. in Mönchengladbach sowie dem Verein "Freunde des Theaters in Mönchengladbach e.V.", Mönchengladbach, nicht zuletzt den kritischen, konstruktiven, regionalen PressemitarbeiterInnen und unserer Hauptlobby, dem Publikum. Ich hoffe auf Ihrer aller Unterstützung. Ein Gemeinschaftstheater ist in besonderer Weise ein "work in progress" und wie eine Ehe gewiss "kein Fertighaus, sondern ein Gebäude, an dem ständig konstruiert und repariert werden muss" (Jean Gabin).
Quelle: http://www.theater-krefeld.de/165.htm