ObjektnummerP 2005-1284
Ovale Silberdeckeldose
ObjektbezeichnungDose
Künstler*in
Unbekannt
DatierungWohl 1. Hälfte 20. Jahrhundert
Material/TechnikSilber, getrieben, graviert und punziert
MaßeH 4,6 B 3,5 T 3,3 cm, Gewicht: 38 Gramm
BeschreibungDiese aus dem alten Siam stammende kleine, ovale Silberdeckeldose ist eine feine chinesische Arbeit, dabei jedoch offensichtlich von europäischen Vorbildern beeinflusst. Sowohl auf dem Deckel wie auf den Wandungsseiten sind umlaufend Traubendarstellungen sowie Weinlaubmotive abgebildet, die auf dem Dosenverschluss noch von einem gleichmäßigen Perlrand eingefasst sind.Neben allein der Tradition verpflichtetem Kunsthandwerk finden sich - neben Laos und Kambodscha - auch in Siam, dem heutigen Thailand, von europäischem Geschmack beeinflusste Silberwaren. Nicht selten scheinen diese - wie schon angesprochen - von chinesischen Silberschmieden hergestellt worden zu sein. Sie orientieren sich an europäischen, dies heißt an französischen Tabatieren des 18. Jh.; an Schnupftabakdosen.
Die so durch ihre Gestalt wie durch angewandte Dekorationsmittel erkennbar europäischer Handwerkskunst nachempfundenen Behältnisse wurden durch den vom Kolonialismus begünstigten Austausch von Ideen und ästhetischen Wertvorstellungen beeinflusst.
Zwar wurde Siam, das heutige Thailand, niemals kolonialisiert; doch musste es auf seinem Boden neue Ideen und damit auch ganz andere Lebensformen zulassen. Dieses Gedankengut war nicht nur das des Westens, sondern es waren auch Anschauungen und Lebensweisen anderer Kulturen aus dem Osten. Und schon allein durch die massenhafte Einwanderung der Chinesen nach Siam im 19. Jh. war es geboten, sich mit anderen Kulturvorstellungen, sozialen Erwartungen wie gesellschaftlichen Ideen zu beschäftigen. Die Nachkommen der vormaligen Immigranten gestalten noch heute im Bangkoker Stadtteil Chinatown die wirtschaftliche, kulturelle sowie die religiöse Kultur.
Im 19. Jh. war aber auch der Beginn einer verstärkten Öffnung Siams hin nach Europa zu verzeichnen, welche damals ihren Höhepunkt unter dem heute noch höchst verehrten König Chulalongkorn (1853 bis 1910) erlebte; Regierungszeit 1868 bis 1910, genannt: Rama V. Dieser lies unter anderem ein Eisenbahnnetz unter deutscher Leitung errichten. Zudem reformierte er das Schulwesen, verbot 1873 die Sklaverei und richtete ein effektiveres Steuersystem in Siam ein. Und offensichtlich waren dieses Königs noble Vorstellungen auf gewisse Weise von einer Gesellschaftsvorstellung mit geprägt, die in Frankreich im Rahmen der französischen Revolution durch die damals formulierten Wünsche nach Liberté, Egalité und Fraternité - Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit - ausgedrückt wurden. Denn König Rama V. förderte das Bildungswesen auf jene Weise, dass es - nicht wie bis dahin üblich - nur Menschen der Oberschicht, sondern auch Personen aller anderen gesellschaftlichen Gruppen ermöglichte, am Wissenserwerb teilnehmen zu können. Sein intensives Interesse am Abendland und an der mit ihm verbundenen Moderne, drückte sich auch durch seine zweimaligen Besuche Europas aus.
Daher hat - wie oft angenommen - nicht nur die asiatische Kunst und dessen Kunsthandwerk europäische Ästhetik des 18. sowie des 19. Jh. enorm befruchtet sondern auch umgekehrt.
Wahrscheinlich diente diese Silberdose zur Aufbewahrung von Wertgegenständen, für die Unterbringung von Schmuck oder sie wurde zur Lagerung von Betelnüssen oder von Geschmacksstoffen, wie Pfefferminz oder Tabak wie aber auch als ein Behältnis für Kalk im Zusammenhang des Betelnusskonsums* verwandt.
*
Die Samen der Betelnuss-Früchte der in fast allen tropischen Gebieten in Asien vorkommenden Betelnusspalme (Areca catechu) werden überwiegend von Männern konsumiert.
Die für diesen Zweck zerkleinerten Betelnusssamen werden mit auf Blättern aufgebrachtem, gelöschtem Kalk sowie mit Geschmackszusatzstoffen - zum Beispiel mit Pfefferminze oder mit Kau-Tabak vermischt - und über Stunden im Munde gehalten. Der dabei entstehende Speichel ist Rot gefärbt und wird regelmäßig an allen Orten ausgespuckt.
Der Betelnusskonsum hat durch den Wirkstoff Arecolin eine leicht anregende Wirkung, zudem mildert er ein etwaiges Hungergefühl. Der Genuss ist aber vor allem wegen des drohenden Mundschleimhaut- und Zahnverfalls bedenklich und daher potentiell stark gesundheitsschädlich. Nach langem Gebrauch verfärben sich als sichtbares Ergebnis die Zähne tief-schwarz. Dennoch ist der Betelnuss-Gebrauch fast überall in Asien, besonders in ländlichen Gebieten, noch immer sehr populär. W. Alberg
KlassifikationAngewandte Kunst / Kunstgewerbe - Alltags- und Gebrauchsgegenstand
Entstehungsort
Copyright DigitalisatKunstpalast, Düsseldorf, Foto: LVR-Zentrum für Medien und Bildung, Stefan Arendt, 2011
In Sammlung(en)
Institution
Kunstpalast
ProvenienzSchenkung von Prof. Dr. Dr. h. c. Bruno Werdelmann, Ratingen, 25.10.2004
Stempel/ZeichenAuf dem Dosenboden befindet sich eine Punze des Silberschmieds
ca. 1800–1850
15./16. Jahrhundert