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Unbekannt (Künstler*in), Silberdeckeldose in Form eines Hundes, Wohl 1. Hälfte 20. Jahrhundert
Silberdeckeldose in Form eines Hundes
Silberdeckeldose in Form eines Hundes
Kunstpalast, Düsseldorf, Foto: LVR-Zentrum für Medien und Bildung, Stefan Arendt, 2011

Silberdeckeldose in Form eines Hundes

ObjektbezeichnungDose
Künstler*in
DatierungWohl 1. Hälfte 20. Jahrhundert
Material/TechnikSilber, getrieben und graviert
MaßeH 6,5, B 3,2, T 8,5 cm, Gewicht: 60 Gramm
BeschreibungDiese Deckeldose stellt einen langhaarigen Hund dar. Wegen seines bis auf den Boden reichenden Fells ist es möglicherweise das Abbild eines Shih Tzus, das eines chinesischen Löwenhundes, der der Tradition nach auch mit dem Leben des Religionsgründers Gautama Buddha in Verbindung gebracht wird.

Eigentlich stammt diese noch heute gezüchtete Hunderasse jedoch aus Tibet. Sie fand zwar ihren Platz in der höfischen Gesellschaft des chinesischen Kaiserreichs, Kariere machte der Shih Tzu aber vor allem als Wachhund in buddhistischen Klöstern.

Die Abbildung dieser Silberdose ähnelt andererseits zugleich einem tibetischen Terrier. Offensichtlich ist ein im Hause, ein in menschlicher Gesellschaft lebendes Tier abgebildet, denn es trägt ein Halsband, was diese, im Sinne des Wortes, Domestizierung auch formal signalisiert.

Die Darstellung des Hundes ist hier vor allem der Versuch eines stark nachahmenden Naturalismus. Dies zeigt sich besonders in der für diese tibetische Hunderasse typischen langen Haarstruktur, die auch diese Deckeldose bestimmt. Wobei jedoch Ober- und Unterteil einen Bruch in ihrer skulpturalen Vermittlung darstellen. Denn die bis zum Boden reichenden Tierlocken des Hundefelles sind nicht durchgängig fortlaufend in der Anordnung der Bildmittel gestaltet, sondern erfahren durch eine optische Verschiebung bei der Gestaltung einen nicht notwendigen Bruch zwischen beiden Dosenteilen.
Das Tierhaupt ist erhoben dargestellt und die Augen schauen mit freundlichem Blick, wobei das Maul geöffnet, doch keineswegs drohend erscheint, und Zahnreihen gut sichtbar werden. Der Schwanz ist, wie für einen Shih Tzu üblich, zum Körper hin gerichtet und auf dem Hunderücken abgelegt.

Wahrscheinlich diente diese trotz ihres Widerspruch innerhalb ihrer wenig harmonischen und so offensichtlichen Bruchstelle bei der Haargestaltung doch eigentlich sehr gut gearbeitete Silberdose zur Aufbewahrung von Betelnüssen oder von Geschmacksstoffen wie aber auch für die Lagerung von Kalk im Zusammenhang des Betelnusskonsums.* Manchmal wurden solche Behältnisse auch zur Aufbewahrung von Schmuck oder für Kosmetika benutzt. Zudem wurden kambodschanische Silberdosen für die Lagerung von Gewürznelken eingesetzt.

Diese Dosen wurden auch immer wieder zu Hochzeiten oder zu anderen Festlichkeiten verschenkt. Manchmal spielten sie zudem im sakralen Kult eine Rolle und fanden einen Platz sowie Verwendung auf dem familiären Hausaltar.

Bis etwa zur Mitte des letzten Jahrhunderts waren es Silbermünzen oder Chiang-Sycee-Silberbarren, sogenanntes Sattelgeld (siehe dazu die Nr. mkp.P 2005-1203 und mkp.P 2005-1296), die das Grundmaterial für diese Behältnisse lieferten. Später wurde Silber auch aus dem europäischen Ausland, aus China und aus den USA nach Kambodscha eingeführt, aus dem die Behältnisse hergestellt wurden.

Frühe Dosen mit Tierdarstellungen, aber auch die anderer Abbilder aus Kambodscha stammen aus dem 19. Jh. und sind möglicherweise beeinflusst durch die Rezeption keramischer Gefäße der Khmer - den Vorfahren der heutigen Kambodschaner - aus dem 11. Jh.

Ab dem letzten Viertel des 19. Jh. ist durch den Einfluss der Franzosen auch europäisches Formenvokabular bei der Silberschmiedekunst, jedoch mit traditionellem Dekor vermischt, vermehrt festzustellen. Besonders zwischen den beiden Weltkriegen wurden Deckeldosen in Tierform hergestellt, wobei Elefanten und Löwen-Hunde die beliebtesten Motive waren. Deckeldosen des 20. Jh. sind aufwendiger und vor allem auch kleinteiliger dekoriert als jene eher schlichten des vorhergehenden Jahrhunderts.

Alte kambodschanische Dosen gehören durch ihren Formenreichtum zweifellos zu den schönsten und auf das aufwendigste gearbeiteten Silberwaren ganz Südost-Asiens. Besonders durch ihre originellen, an der Natur orientierten Darstellungen sind sie berühmt und begehrt. Und dies so sehr, dass sie vielfach nach alten Vorlagen heute nachgearbeitet werden. Durch ihre Qualität, auch ausgedrückt in ihrem Variationsreichtum, stellen sie neben den Waren chinesischer Handwerker wohl die Spitze der Silberschmiedekunst dieser Region dar.


*
Die Samen der Betelnuss-Früchte der in fast allen tropischen Gebieten in Asien vorkommenden Betelnusspalme (Areca catechu) werden überwiegend von Männern konsumiert.
Die für diesen Zweck zerkleinerten Betelnusssamen werden mit auf Blättern aufgebrachtem, gelöschtem Kalk sowie mit Geschmackszusatzstoffen - zum Beispiel mit Pfefferminze oder mit Kau-Tabak vermischt - und über Stunden im Munde gehalten. Der dabei entstehende Speichel ist Rot gefärbt und wird regelmäßig an allen Orten ausgespuckt.
Der Betelnusskonsum hat durch den Wirkstoff Arecolin eine leicht anregende Wirkung, zudem mildert er ein etwaiges Hungergefühl. Der Genuss ist aber vor allem wegen des drohenden Mundschleimhaut- und Zahnverfalls bedenklich und daher potentiell stark gesundheitsschädlich. Nach langem Gebrauch verfärben sich als sichtbares Ergebnis die Zähne tief-schwarz. Dennoch ist der Betelnuss-Gebrauch fast überall in Asien, besonders in ländlichen Gebieten, noch immer sehr populär. W. Alberg

KlassifikationAngewandte Kunst / Kunstgewerbe - Alltags- und Gebrauchsgegenstand
EntstehungsortAsien, Kambodscha
Entstehungsort
  • Kampuchea
SchlagwortSilber
SchlagwortTiere
SchlagwortHund
CopyrightKunstpalast, Düsseldorf, Foto: LVR-Zentrum für Medien und Bildung, Stefan Arendt, 2011
Literatur/QuellenK. I. Matics: Cambodian Silver Animals - A Long Tradition of Artistic Heritage, Bangkok/Thailand 2002
ObjektnummerP 2005-1257
Institution Kunstpalast
ProvenienzSchenkung von Prof. Dr. Dr. h. c. Bruno Werdelmann, Ratingen, 25.10.2004