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Unbekannt (Künstler*in), Silberdeckeldose in Form eines Löwenhundes - Shishi, wohl 19. Jahrhundert
Silberdeckeldose in Form eines Löwenhundes - Shishi
Silberdeckeldose in Form eines Löwenhundes - Shishi
Kunstpalast, Düsseldorf, Foto: LVR-Zentrum für Medien und Bildung, Stefan Arendt, 2011

Silberdeckeldose in Form eines Löwenhundes - Shishi

ObjektbezeichnungDose
Künstler*in
Datierungwohl 19. Jahrhundert
Material/TechnikSilber, getrieben und graviert, Silbergehalt 92 %,
Rest: Kupfer
MaßeH 11,5, B 8, T 11,5 cm, Gewicht: 265 Gramm
BeschreibungDiese Deckeldose hat die für eine kambodschanische Arbeit sehr typische Form eines Tempel-Löwen. Abgebildet ist jedoch der einem Löwen ähnlich aussehende Fo-, der sogenannte Buddha-Hund (Shishi).

Der gesamte Körper des Tieres ist in aufwendiger Treibarbeit herausgebildet, wobei besondere Aufmerksamkeit auf die Vorgabe einer hier wie ein Muster auftretenden Fellstruktur gerichtet ist.
Die auf den Betrachter direkt zielende, ihn auf gewisse Weise geradezu anschauende Darstellung, auch ausgelöst durch den stark nach rechts gedrehten Kopf, wird ebenfals durch das weit aufgerissene Maul und seine leicht drohend ausgestellten Zähne unterstützt. Das Tier ist liegend dargestellt.

Der Löwe gilt im Buddhismus als Herrschaftszeichen und wird dort auch als Symbol Buddhas verstanden. Oft werden Löwendarstellungen nicht nur innerhalb einer Thron-Darstellung verwandt, ebenso fungieren ihre Abbilder als symbolische Tempel-Wächter.
Diese als Löwen erscheinenden Fo-, beziehungsweise Buddha-Hunde sind innerhalb der Mythologie des asiatischen Raumes auch ein Symbol für Kraft und ein bildlicher Ausdruck von Tapferkeit.

Wegen der differenziert gearbeiteten Gestalt scheint diese Deckeldose wohl im 19. Jh. hergestellt worden zu sein.

Wahrscheinlich diente sie zur Aufbewahrung von Wertgegenständen, eventuell für die Unterbringung von Schmuck oder sie wurde möglicherweise auch zur Aufbewahrung von Betelnüssen oder von Geschmacksstoffen wie aber auch von Kalk im Zusammenhang des Betelnusskonsums* verwandt. Zudem wurden kambodschanische Silberdosen für die Lagerung von Gewürznelken benutzt.

Diese Dosen wurden auch immer wieder zu Hochzeiten oder zu anderen Festlichkeiten verschenkt. Manchmal spielten sie zudem im sakralen Kult eine Rolle und fanden eine Verwendung auf dem familiären Hausaltar.

Bis etwa zur Mitte des letzten Jahrhunderts waren es Silbermünzen oder Chiang-Sycee-Silberbarren, sogenanntes Sattelgeld (siehe dazu die Nr. mkp.P 2005-1203 und mkp.P 2005-1296), die das Grundmaterial für diese Behältnisse lieferten. Später wurde Silber auch aus dem europäischen Ausland, aus China und aus den USA nach Kambodscha eingeführt, aus dem die Behältnisse hergestellt wurden.

Frühe Dosen mit Tierdarstellungen aus Kambodscha stammen aus dem 19. Jh. und sind möglicherweise beeinflusst durch die Rezeption keramischer Gefäße der Khmer - den Vorfahren der heutigen Kambodschaner - aus dem 11. Jh.
Ab dem letzten Viertel des 19. Jh. ist durch den Einfluss der Franzosen ** auch europäisches Formenvokabular bei der Silberschmiedekunst, jedoch mit traditionellem Dekor vermischt, vermehrt festzustellen. Besonders zwischen den beiden Weltkriegen wurden Deckeldosen in Tierform hergestellt, wobei Elefanten und Löwen-Hunde die beliebtesten Motive waren. Deckeldosen des 20. Jh. sind aufwendiger und vor allem kleinteiliger dekoriert als jene schlichten des vorhergehenden Jahrhunderts.

Alte kambodschanische Dosen gehören durch ihren Formenreichtum zweifellos zu den schönsten und auf das aufwendigste gearbeiteten Silberwaren ganz Südost-Asiens. Besonders durch ihre originellen, an der Natur orientierten Darstellungen sind sie berühmt und begehrt. Und dies so sehr, dass sie vielfach nach alten Vorlagen heute nachgearbeitet werden. Durch ihre Qualität, auch ausgedrückt in ihrem Variationsreichtum, stellen sie neben den Waren chinesischer Handwerker wohl die Spitze der Silberschmiedekunst dieser Region dar.

*
Die Samen der Betelnuss-Früchte der in fast allen tropischen Gebieten in Asien vorkommenden Betelnusspalme (Areca catechu) werden überwiegend von Männern konsumiert.
Die für diesen Zweck zerkleinerten Betelnusssamen werden mit auf Blättern aufgebrachtem, gelöschtem Kalk sowie mit Geschmackszusatzstoffen - zum Beispiel mit Pfefferminze oder mit Kau-Tabak vermischt - und über Stunden im Munde gehalten. Der dabei entstehende Speichel ist Rot gefärbt und wird regelmäßig an allen Orten ausgespuckt.
Der Betelnusskonsum hat durch den Wirkstoff Arecolin eine leicht anregende Wirkung, zudem mildert er ein etwaiges Hungergefühl. Der Genuss ist aber vor allem wegen des drohenden Mundschleimhaut- und Zahnverfalls bedenklich und daher potentiell stark gesundheitsschädlich. Nach langem Gebrauch verfärben sich als sichtbares Ergebnis die Zähne tief-schwarz. Dennoch ist der Betelnuss-Gebrauch fast überall in Asien, besonders in ländlichen Gebieten, noch immer sehr populär.

**
Vor allem waren es die Franzosen, die im Königreich Kambodscha von 1863 bis 1954 die Politik bestimmten, es faktisch regierten und in diesem Zusammenhang den voll ausgeprägten, reichen wie eigenständigen Formenkanon asiatisch-kambodschanischer Kultur noch einmal durch europäischen Geschmack und dessen völlig andersartige Bildmittel ergänzten.
W. Alberg

KlassifikationAngewandte Kunst / Kunstgewerbe - Alltags- und Gebrauchsgegenstand
SchlagwortSilber
SchlagwortFabelwesen
SchlagwortTiere
SchlagwortLöwenhund
SchlagwortReligion
CopyrightKunstpalast, Düsseldorf, Foto: LVR-Zentrum für Medien und Bildung, Stefan Arendt, 2011
Literatur/QuellenSylvia Fraser-Lu: Silverware of South-East Asia, Singapore 1989,
K. I. Matics: Cambodian Silver Animals - A Long Tradition of Artistic Heritage, Bangkok/Thailand 2002
ObjektnummerP 2005-1247
Institution Kunstpalast
ProvenienzSchenkung von Prof. Dr. Dr. h. c. Bruno Werdelmann, Ratingen, 25.10.2004