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Cover von "Die Grube", Dittrich Verlag 2011.
16 Die Grube
Cover von "Die Grube", Dittrich Verlag 2011.
Cover von "Die Grube", Dittrich Verlag 2011.
Object numberHHI.2015.G.4000.16

16 Die Grube

Autor*in (DE, geboren 1930)
Date2011
DescriptionIm Roman „Die Grube“ nimmt sich Ingrid Bachér eines unmittelbar politischen Themas an, nämlich dem Braunkohleabbau in der Umgebung von Garzweiler. Im Zuge des Tagebaus der Firma Rheinbraun (heute: RWE Power) wurden gegen große Proteste seitens der Bevölkerung und Umweltschützern insgesamt 30 Ortschaften zerstört, die Bewohner abgefunden oder enteignet und umgesiedelt.

Bachér schildert diese hochbrisante Geschichte aus Sicht der Lehrerin Lale, die mit ihren Brüdern Simon und Hinner auf einem Vierkanthof in Garzweiler aufgewachsen ist, der bis ins Jahr 1796 zurückreicht. Während Hinner nach Südamerika auswandert, kämpfen Lale und Simon gegen das Tagebauvorhaben, allerdings auf verlorenem Posten. Der Roman ist eine Klage über den Verlust der Heimat und eine Anklage des profitorientierten Wirtschaftens, dem Menschen und ihr Schicksal komplett gleichgültig sind.

Bachér findet dafür starke Worte und Bilder – bei der Beerdigung des Vaters der Geschwister betet der Pfarrer: "Herr, wir bitten Dich, gib unserem lieben Toten die ewige Ruhe, solange es Rheinbraun zulässt." Und diese Fürbitte ist durchaus berechtigt, denn wenige Jahre später wird der Friedhof umgesetzt, die Gräber geöffnet. Die Ich-Erzählerin Lale ist dabei und muss zusehen, wie der Sarg ihres Vaters beim Ausbaggern auseinanderbricht, die Überreste herausfallen. Bei älteren Gräbern werden die Knochen gesammelt und anderswo verscharrt.

Lale resümiert: "Der Schrecken, der mich erfasste, galt nicht so sehr dem, was ich sah, obwohl unbeschreibliche Verwesungsgrade menschlicher Körper ans Licht kamen, sondern dem, was sich mir offenbarte. Die Missachtung, mit der wir den Toten begegnen, zeigt, wie wenig wir uns selbst achten." In dieser Szene manifestiert sich die ganze Brutalität dieser kapitalistischen Landnahme. Lales Bruder Simon spricht von dem Konzern, der für all das verantwortlich ist, nur von der „Krake“.

Ihr Widerstand gegen die Maßnahmen zeitigt kaum Erfolg, denn nur jene, die unmittelbar betroffen sind, begehren auf. Die Übrigen nehmen die Zerstörung der Landschaft als etwas Unvermeidliches hin, was Lale bitter konstatiert: "Wir sind eine Gesellschaft von Menschen, die sich der Bürokratie angepasst hat, die uns verwaltet, dessen Verwaltungsmaterial wir sind, so auch in all unseren Regungen kontrollierbar."

Dass es aber um viel mehr geht als nur verlorenes Bauernland (was schlimm genug wäre), zeigt Bachér in eindringlicher Weise mit den Mitteln der Sprache, bei ihr wird das Land zu einem gemeuchelten Lebewesen: "Vor unseren Füßen die Grube, das geschlachtete Land. Wie ausgebalgt das große Erdtier, in dessen toten Körper wir hineinsahen, der ausweidet vor uns lag, endlos gestreckt."

Bachér lässt ihre Erzählerin Lale gnadenlos ausführlich vom trostlosen Niedergang der Dörfer berichten, die am Ende wie Zombiestädte wirken, wo dreiste Plünderer selbst in bewohnte Häuser einbrechen. Kurz bevor der Hof der Familie der Abrissbirne zum Opfer fällt, stirbt Simon an einem Herzinfarkt. Lale begräbt ihn mit ein paar Freunden illegal auf dem Gelände.

Allein übrig geblieben, stellt sie die zwei einfachen Fragen, die sich allen, die von der Zerstörung betroffen sind, aufdrängen: "Wie war es zu ertragen, dass man gehen musste ohne Widerkehr? Was ist Heimat und kann man sie transportieren?"

Bachérs Roman ist ein Buch der Empörung, mit zähneknirschender Ruhe erzählt. Sie sieht im Tagebau Garzweiler ein "Menetekel", ein Exempel für das, was immer wieder auch anderswo geschieht: "Die Natur nährt, die Technik verzehrt. Das ist ein alter Spruch. Wir glauben an den Reichtum durch Technik und sehen doch, dass die Armut ständig wächst. Unfruchtbar ist die Technik, die mehr verbraucht, als sie erschafft. Wir gleichen das aus, indem wir Schulden machen und können kein Maß dafür finden."

Prägnanter kann man die soziale Aporie, in der wir heute leben, nicht ausdrücken.

Erschienen im Dittrich Verlag, Berlin 2011.

ClassificationsDruck- und Schriftgut - Buch (gedruckt)
Curatorial RemarksBuch
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