Object numberP 2005-1221
Runde Silberdeckeldose
NameDose
Künstler*in
Unbekannt
DateEnde 19. bis erste Hälfte 20. Jahrhundert
MediumSilber, graviert
DimensionsH 2,9, D 4,7 cm, Gewicht: 34 Gramm
DescriptionDiese an der Wandung umlaufend durchbrochen gearbeitete runde Dose ist wohl eine chinesische Arbeit, die sich aber durch die Gestalt ihres Korpus an europäischen Vorbildern des 18. Jh. orientiert. Ihre Wandung zeigt ein sich rhythmisch wiederholendes Trauben- und Blätterdekor. Der Deckel stellt miteinander spielende Ratten innerhalb des schon auf der Wandung zu findenden Verzierungsmusters dar.
Zum chinesischen Kalender gehört auch das mit dem Element Feuer verbundene Jahr der Ratten, worauf im Dosendekor möglicherweise angespielt wird. Der positive Aspekt dieser Rattensymbolik vertritt innerhalb chinesischer Vorstellung den Wunsch nach materiellem Reichtum.
Es ist anzunehmen, dass diese Deckeldose als Behältnis wohl für zerkleinerte Betelnüsse,* Kalk oder für Geschmackszusatzstoffe im Zusammenhang des Betelnuss-Gebrauchs diente. Zudem wurden kambodschanische Silberdosen für die Aufbewahrung von Gewürznelken benutzt.
Diese Dosen wurden auch immer wieder zu Hochzeiten oder zu anderen Festlichkeiten verschenkt. Manchmal spielten sie zudem im sakralen Kult eine Rolle und fanden sowie Verwendung auf dem familiären Hausaltar.
Alte kambodschanische Dosen gehören durch ihren Formenreichtum zweifellos zu den schönsten und auf das aufwendigste gearbeiteten Silberwaren ganz Südost-Asiens. Besonders durch ihre originellen, an der Natur orientierten Darstellungen sind sie berühmt und begehrt. Und dies so sehr, dass sie vielfach nach alten Vorlagen heute nachgearbeitet werden. Durch ihre Qualität, auch ausgedrückt in ihrem Variationsreichtum, stellen sie wohl die Spitze der Silberschmiedekunst dieser Region dar.
Viele Deckeldosen aus Kambodscha haben die Gestalt von Elefanten, der in Asien als ein Glückssymbol gilt. Eine andere sehr populäre Dosenform ist die Darstellung eines Löwenhundes/Shishi, andere zeigen verschiedene Vogelarten, etwa Abbilder vom Küken bis hin zum Schwan. Weitere stellen Hühner, Hähne und Spatzen dar, oftmals aber auch Rehe/Hirsche, den hinduistischen Affengott Hanuman sowie dessen Sohn. Weitere bilden Hunde, Schildkröten und Fische ab, aber auch Gemüse, etwa die Tomate, Kürbisse und Magostan-Früchte finden sich in silbernen Behältnissen nachgebildet.
Neben allein der kambodschanischen Tradition verpflichtetem Kunsthandwerk gibt es in diesem Land auch von europäischem Geschmack beeinflusste Silberwaren. Nicht selten scheinen diese von chinesischen Silberschmieden hergestellt worden zu sein. Oft sind sie kleiner als jene allein dem kambodschanischen Formenkanon zugewandten. Denn sie orientieren sich - wie gesagt - an europäischen, dies heißt an französischen Tabatieren des 18. Jh; an Schnupftabakdosen.
Die so durch ihre Gestalt wie durch angewandte Dekorationsmittel erkennbar europäischer Handwerkskunst nachempfundenen Behältnisse wurden durch den vom Kolonialismus begünstigten Austausch von Ideen und ästhetischen Wertvorstellungen beeinflusst. Daher hat - wie oft angenommen - nicht nur die asiatische Kunst und dessen Kunsthandwerk europäische Ästhetik des 18. sowie des 19. Jh. enorm befruchtet sondern auch umgekehrt.
Vor allem waren es die Franzosen, die im Königreich Kambodscha von 1863 bis 1954 die Politik bestimmten, es faktisch regierten und in diesem Zusammenhang den voll ausgeprägten, reichen wie eigenständigen Formenkanon asiatisch-kambodschanischer Kultur noch einmal durch europäischen Geschmack und dessen völlig andersartige Bildmittel ergänzten.
Bis etwa zur Mitte des letzten Jahrhunderts waren es Silbermünzen oder Chiang-Sycee-Silberbarren, sogenanntes Sattelgeld (siehe dazu die Nr. mkp.P 2005-1203 und mkp.P 2005-1296), die das Grundmaterial für diese Behältnisse lieferten. Später wurde Silber auch aus dem europäischen Ausland, aus China und aus den USA nach Kambodscha eingeführt, aus dem die Behältnisse dann hergestellt wurden.
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Die Samen der Betelnuss-Früchte der in fast allen tropischen Gebieten in Asien vorkommenden Betelnusspalme (Areca catechu) werden überwiegend von Männern konsumiert.
Die für diesen Zweck zerkleinerten Betelnusssamen werden mit auf Blättern aufgebrachtem, gelöschtem Kalk sowie mit Geschmackszusatzstoffen - zum Beispiel mit Pfefferminze oder mit Kau-Tabak vermischt - und über Stunden im Munde gehalten. Der dabei entstehende Speichel ist Rot gefärbt und wird regelmäßig an allen Orten ausgespuckt.
Der Betelnusskonsum hat durch den Wirkstoff Arecolin eine leicht anregende Wirkung, zudem mildert er ein etwaiges Hungergefühl. Der Genuss ist aber vor allem wegen des drohenden Mundschleimhaut- und Zahnverfalls bedenklich und daher potentiell stark gesundheitsschädlich. Nach langem Gebrauch verfärben sich als sichtbares Ergebnis die Zähne tief-schwarz. Dennoch ist der Betelnuss-Gebrauch fast überall in Asien, besonders in ländlichen Gebieten, noch immer sehr populär. W. Alberg
ClassificationsAngewandte Kunst / Kunstgewerbe - Alltags- und Gebrauchsgegenstand
Entstehungsort
Copyright DigitalisatKunstpalast, Düsseldorf, Foto: LVR-Zentrum für Medien und Bildung, Stefan Arendt, 2011
Bibliography TextK. I. Matics: Cambodian Silver Animals - A Long Tradition of Artistic Heritage, Bangkok/Thailand 2002Collections
Institution
Kunstpalast
Department
Kunstpalast - Skulptur und Angewandte Kunst
ProvenanceSchenkung von Prof. Dr. Dr. h. c. Bruno Werdelmann, Ratingen, 25.10.2004