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Object numberFM.Film.14803

LUMIERE

Date1954
DescriptionDer Film beginnt mit Porträtaufnahmen von Auguste Lumière, der an seinem Schreibtisch sitzt und aus seinem Leben erzählt. Gemeinsam mit ihrem Vater leiteten Louis und Auguste Lumière eine bedeutende Fabrik für fotografische Produkte, die in Lyon stand. Als sie 1894 in den Besitz der ersten Kinetoskope gelangten, begannen sie sofort mit eigen- en Arbeiten und Entwickklungen. Louis stellte zunächst einen "Chrono- photographen" her, wobei er in Lyon hergestelltes Filmmaterial des Edison-Formats verwendete. Am 13. Februar 1895 konnte er das Patent für seinen "Cinématographe" anmelden, der gleichzeitig Aufnahme- apparat, Projektions- und Kopiergerät war. Die technische Vollkommen- heit dieses Apparates überflügelte alle Konkurrenten. Dutzende Foto- grafen, die nach Lyon kamen und von den Lumières ausgebildet wurden, verbreiteten diesen Apparat in der ganzen Welt und mit ihm das Wort Cinématographe (und seine Ableitungen Kinematograph, Cinéma, Ciné, Kino). Im Grand Café, in Paris findet dann die erste öffentliche Vorstellung statt. Anfangs aber kommen nur wenige Neu- gierige in den "Indischen Salon", um die "lebenden Bilder" zu be- wundern. Vater Lumière erklärt einem Besucher den Apparat. (Diese Szenen sind unter Verwendung der Originalapparaturen nach- gestellt). Die historische Vorführung beginnt. a) "SORTIE DE L'USINE LUMIERE A LYON" (Arbeiter verlassen die Fabrik der Lumières) 0,24min Die Kamera erfaßt das Fabriktor und den davorliegenden Platz in der Totale (Überblick über einen Handlungsort). Das Tor öffnet sich, Arbei- terinnen mit Glockenröcken und Federhüten sowie Arbeiter, teilweise Fahrräder schiebend, verlassen die Fabrik. Ihnen folgen die gehobeneren Angestellten und schließlich die Fabrikherren im Zweispänner. Dann schließt der Pförtner wieder das Tor. Diese Einstellung könnte fast als Reklamestreifen für die Fotofabrik der Lumières bezeichnet werden. Und sie war es in der Tat auch, da sie erstmals bei einer Konferenz über die Entwicklung der fotografischen In- dustrie in Frankreich vorgeführt wurde. b) "BARQUE SORTANT DU PORT" (Den Hafen verlassende Barke) 0,20min Ein Boot, das mit Männern besetzt ist, schaukelt im Hafen von Calais auf den Wellen. Auf einer Mole, die ins Bild hineinragt, stehen zwei Frau- en mit ihren Kindern (es sind die Frauen von Louis und Auguste). Bemerkenswert an dieser Totale ist vor allem die fotografische Qualität des Bildes. Das Gegenlicht verleiht den Wellen Relief, der geschickt ge- wählte Bildausschnitt verrät den bereits erwähnten Sinn für Komposi- tionen. Diese Einstellung offenbart erstmals den besonderen Reiz, den flüssige Körper-hier das Meer-im Film gewinnen können. c) "LE TRAIN" ("L'arrivé d'un train", Die Ankunft eines Zuges) 0,10min Einer der berühmtesten und wohl auch der am meisten nachgeahmte Film von Louis Lumiére. Die Bilder zeigen die Einfahrt eines Zuges in den Bahnhof von La Ciotat. Die Kamera überblickt die ganze Länge des Bahn- steiges. In Richtung auf die Kamera nähert sich der Zug, hält unmittelbar so, daß sie ihn voll erfaßt und fährt schließlich links an ihr vorbei und aus dem Bild. Die Reisenden, die den Zug verlassen, kommen ebenfalls auf die Kamera zu und gehen rechts und links an ihr vorbei. Diese Bildfolge stellt das Urmodell aller dramatischen Einstellungen dar: Bewegungen von Gegenständen oder Personen auf die Kamera zu wirken-genauso wie die Bewegung der Kamera auf Gegenstände oder Personen zu-dramatisch. Es wird berichtet, daß die Zuschauer bei den ersten Vorführungen angesichts der vom Hintergrund der Bildwand auf sie zu rasenden Lokomotive von ihren Sitzen aufsprangen und hinter den Stuhllehnen Deckung suchten, da sie befürchteten, überfahren zu werden. "So sehr identifizieren sie ihr eigenes Sehen mit dem des Apparates: die Kamera wurde zum ersten Mal handelnde Person des Geschehens" (G. Sadoul). Die Einstellung, die ursprünglich eine Totale darstellt, nimmt teilweise den Charakter einer Nah-und sogar Großaufnahme an, wenn die Reisenden auf die Kamera zukommen und mitunter ihr so nahe kommen, daß für den Bruchteil einer Sekunde ihr Kopf die Leinwand füllt. In späteren Jahren lösten die Film- regisseure solche Vorgänge in mehrere Einstellungen auf. Man sah etwa die Totale eines Bahnhofs, dann, in einer neuen Einstellung, den Bahnsteig in der Richtung, aus der der Zug kommen muß, wartende Menschen auf dem Bahnsteig, der herannahende Zug, Reisende, die ihm entsteigen etc.. Neuerdings kehren auch einige Regisseure wieder dazu zurück, ganze Sequenzen in einer einzigen Einstellung aufzunehmen und den Schnitt zu vermeiden. Doch über die dabei zur Anwendung gelangenden Möglichkeiten der Kamera (Bewegung der Kamera, Schwenks und Fahrten) verfügten die Lumières noch nicht. d) "QUERELLE DE BEBES" ("Le déjeuner de Bébé", Babys Frühstück) 0,21min In dieser Häuslichkeit und Gemütlichkeit ausströmenden Einstellung sieht man Auguste in Hemdärmeln und seine Frau in gestreifter Seidenbluse, die das Mienenspiel ihres Kindes beobachten, das seinen Brei ißt und mit einer Waffel herumfuchtelt. Im Vordergrund sieht man auf einem Tablett Silber- geschirr und Likörflaschen. Die Szene ist halbnah aufgenommen, damit der Zuschauer die einfachen und natürlichen Gesichtsausdrücke der drei Dar- steller genießen kann. Vielen Tausenden späterer Amateurfilme, die noch heute vornehmlich dem Familienleben gewidmet sind, hat dieser indirekt als Vorbild gedient. Er ist sozusagen der Vater aller Familienfilme-gerade auch wegen seiner Einfachheit. e) "L'ARROSEUR ARROSE" (Der begossene Rasensprenger) 0,21min Ein Gärtner sprengt mit einem Schlauch die Beete. Von hinten nähert sich ein Junge und tritt auf den Schlauch, so daß sich das Wasser staut. Der Gärtner, der den Jungen nicht bemerkt hat, ist erstaunt und schaut in den Schlauch, um zu ergründen, weshalb das Wasser plötzlich ausbleibt. In diesem Augenblick nimmt der Junge den Fuß vom Schlauch, und das Wasser spritzt dem Gärtner mit voller Wucht ins Gesicht. Der Junge läuft weg, aber der Gärtner ist schneller. Er erwischt ihn, zieht ihn am Ohr hinter sich her und zieht ihm schließlich den Hosenboden stramm. Das ist der erste "Spielfilm". Die Handlung ist einer Bildergeschichte nach- erzählt, die damals sehr beliebt waren (vergl. die Geschichten von Wilhelm Busch). Die ganze Geschichte besteht eigentlich nur aus einer kurzen Anekdote, einem "Gag", wie man solche überraschenden, komischen Einfälle später nannte. Bezeichnend für den Zeitgeist ist aber, daß der Film sich nicht mit der Pointe begnügt, sondern noch eine moralische Nutzanwendung folgen läßt. Der Witz findet in dem Augenblick seinen Höhepunkt, wo dem verdutzten Gärtner das Wasser ins Gesicht spritzt, Und hier hätte eigentlich auch der Film enden können. Statt dessen er- lebt der Zuschauer noch, daß der Junge für seine "böse" Tat bestraft wird. Der Gerechtigkeit ist Genüge getan. Die Gestaltung dieses Filmchens ist wiederum sinnvoll und einfach: die Einstellung erscheint in der Totalen, die Darsteller bewegen sich auf die Kamera zu. Die Nachteile der starren Kamera (noch kannte man ja auch nicht den Schwenk und die Fahrt) werden besonders deutlich, als der Junge wegläuft. Der Gärtner muß ihn erst wieder ins Bild hineinziehen, um ihn in der Bildmitte-gut sichtbar für alle-verhauen zu können. f) "PARTIE D'ECARTE" (Eine Kartenpartie) 0,18min Zwei Männer (Auguste Lumière und der Jongleur Trewey) spielen Kar- ten. In die an sich unfilmische Szene wird etwas Leben durch das Auf- treten einer Kellnerin gebracht, die Getränke bringt und bei den Spie- lern etwas "kiebitzt'. Vergleichbar ist diese Einstellung mit "Querelle de Bébé", denn ihr Thema und ihre Gestaltung gehören durchaus in den Bereich des ama- teurhaften Famillenfilms. g) "LE DEBARQUEMENT DES CONGRESSISTES" (Die Ausschiffung der Kongreßteilnehmer) 0,20min Mit diesen Aufnahmen, die im Juni 1895 gemacht wurden, und die Teil- nehmer am Fotografischen Kongreß zeigen, die in Neuville-sur-Saone das Schiff verlassen, machte sich Louis Lumière zu einem der ersten Vorläufer der Wochenschauoperateure. Nur 24 Stunden nach der Aus- schiffung der Kongreßteilnehmer konnte Louis Lumière ihnen bereits den fertigen Film vorführen. Die Unbefangenheit der Aufgenommenen kommt darin zum Ausdruck, daß sie-während sie an der Kamera vorübergehen-vor dem Kamera- mann den Hut ziehen und in die Kamera hinein grüßen. Hingegen ha- ben es alle späteren Wochenschau-Reporter sorgfältig zu vermeiden ge- sucht, daß die Aufgenommenen in die Kamera blicken und sich anmer- ken lassen, daß sie gefilmt werden. Louis Lumière und die von ihm ausgebildeten Kameraleute entwickel- ten innerhalb kurzer Zeit eine ganze Reihe von Filmarten, so u.a. Na- turaufnahmen, Genreszenen, Zeitberichte (vergleichbar etwa der Wochen- schau), Reisefilme und Reportagen. Unermüdlich wurde in Lyon an der Verbesserung der Apparate gearbeitet. Ab 1898 beschränkte sich die Fir- ma Lumière allein auf den Verkauf dieser Apparate und von Filmen, der ansehnlichen Ausbeute von nur drei Jahren Arbeit. Die Kameraleute, die im Auftrag der Lumières fast die ganze Welt bereist hatten, wurden entlassen, die Produktion weitgehend gedrosselt. Die von Paul Paviot vorgenommene Auswahl wochenschauähnlicher Repor- tagen aus den Jahren 1895 bis 1897 gibt einen knappen Überblick über die Vielzahl der Themen, die bearbeitet wurden: - Fußgänger u. Fahrzeuge überqueren in London die Tower-Bridge (0,16min) - In den USA nehmen Polizisten an einer Parade teil. (0,13min) - In Amerika verkehrt die erste elektrische Straßenbahn (0,40min) - Ein Admiral begibt sich zur Krönung von Zar Nikolaus II ("Le cournonnement du Tsar Nicolas II" wurde im Frühjahr 1896 von Francisque Doublier unter der Leitung von M. Perrigot im Auftrag der Lumierès aufgenommen). (0,23min) - Der Präsident der franz. Republik schreitet zu einem Staatsakt (0,18min) - Eine dichtgedrägte Menschenmenge beobachtet den Stapellauf eines Schiffes (0,21min) - In China besteigt ein Mädchen eine Rikscha (0,35min) "L'ARROSEUR ARROSE" blieb nicht der einzige komische Film von Louis Lumierè. Wenig später inszenierte er abermals eine kleine Geschichte: Beladen mit zwei Koffern geht ein Reisender durch die Straßen. Er spricht einen Passanten an, um sich offenbar nach dem Weg zu erkundigen. In dem Augenblick schleicht sich von hinten an den Mann ein Ganove her- an und stiehlt einen der Koffer. In der Aufregung läßt der Reisende auch den anderen Koffer stehen, womit auf einfache Weise der zweite Ganove zu seiner "Beute" kommt. (0,23min) Lumières Kameraleuten sind auch wichtige technische Entdeckungen zu verdanken. Im Januar 1896 ließ man im Grand Café den kleinen Film "DEMOLITION D'UN MUR" verkehrt, d. h. rückwärts ablaufen. Ein neuer Trick, der beim Zuschauer einen verblüffenden Eindruck hervorrief, war gefunden: Arbeiter mit Hacken sind damit beschäftigt, eine Mauer nieder- zureißen. Die Mauer fällt um und richtet sich im gleichen Augenblick, wäh- rend der ganze Vorgang noch einmal rückwärts läuft, wieder auf. So wurde auch die Fahrtaufnahme entdeckt, und zwar von dem Kamera- mann Promio, der sich im Frühjahr 1896 in Venedig aufhielt. "Als ich mich einmal in einer Gondel in mein Hotel begab", erzählte er,"sah ich die Ufer vor dem Boot fliehen, und ich dachte, wenn der Film es erlaubte, die Bewe- gung der Gegenstände wiederzugeben, könnte man die Sache vielleicht umdrehen und mit Hilfe des beweglichen Apparates die unbeweglichen Gegenstände wiedergeben..." (zitiert nach G. Sadoul). Damit war der erste Schritt getan. Von jetzt ab fuhr die Kamera in Zügen, in Berg- bahnen, Luftballons und Fahrstühlen mit. Eines der Beispiele zeigt der vorliegende Ausschnitt: die Kamera filmt aus dem Fahrstuhl des Eiffel- turms. (0,19min) aus: Bilddokumente zur Geschichte des Filmso Hrs. FWV -nachfolgende Filmszenen: -die Gebrüder Lumierè bei der Weiterentwicklung ihrer Filmtechnik -offizielle Ehrung bei Louis Lumierè -die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften - Arbeiter der Lumierè-Werke verlassen auch heute noch durch dasselbe Fabriktor ihren Arbeitsplatz (0,21min)
(Quelle: Filmmuseum Düsseldorf)

August und Louis Lumiére, Filmpionier Filmgeschichte, Paris/Grand Cafe
Klassifikation(en)
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