Objekte von: Katharina Thalbach
Katharina Thalbach wächst "auf der Bühne" auf: Häufig begleitet sie ihre Mutter, die am Berliner Ensemble und dem Deutschen Theater engagiert ist, ins Theater. Schon mit vier Jahren spielt sie Kinderrollen auf der Bühne, im Fernsehen und im Film. Nach dem Tod der Mutter 1966 nimmt Helene Weigel sie unter ihre Obhut und bietet ihr einen Meisterschülervertrag an. Mit fünfzehn debütiert sie als Hure Betty in Erich Engels Inszenierung der "Dreigroschenoper", sie übernimmt im gleichen Jahr, am 25.12.1969, vertretungsweise die Hauptrolle der Polly und wird als Entdeckung gefeiert.
Sie spielt weiter am Berliner Ensemble und ab 1971 (nach dem Abitur an der Max-Planck-Oberschule und absolvierter Bühnenreifeprüfung) an der Volksbühne Berlin, wo ihr Vater als Intendant tätig ist. Ihre größten Bühnenerfolge werden die Doppelrolle der Venus / Galatea in Peter Hacks' Bearbeitung von Offenbachs "Die schöne Helena" (1972), die Desdemona neben Rolf Ludwig in Karge / Langhoffs Inszenierung von "Othello" (1972), für die sie den Kritikerpreis der Berliner Zeitung erhält, und die Mira in Francisco Pereira da Silvas "Speckhut" (R: Karge / Langhoff). 1974 kündigt sie ihr Engagement an der Volksbühne und schließt sich im September 1975 wieder dem Berliner Ensemble an. Im "Kramladen" des Jugendzentrums Weißensee tritt sie im Jazz-Oratorium "Hahnenkopf" auf, das der Schriftsteller und Dramatiker Thomas Brasch mit dem Jazzmusiker Ulrich Gumpert erarbeitet.
Nachdem Thalbach bereits mit vier Jahren ihr Debüt in dem TV-Film BEGEGNUNG IM DUNKEL gegeben hat, tritt sie gelegentlich in Kinderrollen auf - 1963/64 in dem 2-teiligen TV-Film DER NEUE neben ihrer Mutter. 1961 erhält sie von Lothar Warneke mit der Tini in ES IST EINE ALTE GESCHICHTE ihre erste größere Filmrolle. 1973 spielt sie in Konrad Wolfs DER NACKTE MANN AUF DEM SPORTPLATZ eine junge Schwangere. In DIE FRAUEN DER WARDINS, der mehrteiligen Geschichte einer märkischen Bauernfamilie, ist sie die Bauerntochter Maria, deren Liebe zu einem kommunistischen Arbeiter im Selbstmord mündet.
1974 synchronisiert sie in Siegfried Kühns Goethe-Verfilmung DIE WAHLVERWANDSCHAFTEN Magda Vasary in der Rolle der Ottilie. Danach spielt sie in zwei von Egon Günthers Goethe-Filmen: In LOTTE IN WEIMAR stellt sie als Ottilie die Hauptdarstellerin Lilli Palmer in den Schatten. 1976 ist die Lotte in DIE LEIDEN DES JUNGEN WERTHERS ihre erste Hauptrolle.
Einen Monat nach der Ausbürgerung von Wolf Biermann siedelt Thalbach im Dezember 1976 mit ihrem damaligen Mann Thomas Brasch, der als politisch mißliebiger Autor seine Werke kaum noch publizieren kann, nach West-Berlin um. 1978 debütiert sie in der Titelrolle von Braschs Stück "Lovely Rita" an der Werkstattbühne des Schillertheaters (R: Niels-Peter Rudolph). Als Gaststar wirkt sie in Inszenierungen der Regisseure Hans Lietzau ("Der Biberpelz"), Jürgen Flimm ("Käthchen von Heilbronn", Köln 1979; auch TV), Hans Neuenfels (Prothoé in "Penthesilea", Schillertheater 1981) mit. Für ihre Darstellung des Käthchens wird sie von den Kritikern der Zeitschrift Theater heute zur Darstellerin des Jahres 1980 gewählt.
1984 setzt ihr Vater Benno Besson sie als Ophelia in seinem "Hamlet" am Schauspielhaus Zürich ein. Dort spielt sie auch die Rolle der Oi in der Uraufführung von Braschs "Mercedes" (R: Matthias Langhoff, 1983). In Ernst Wendts Inszenierung von Shakespeares "Was ihr wollt" (Schillertheater 1984/85) übernimmt sie die Doppelrolle Viola und Sebastian. Dort spielt sie 1992 unter der Regie ihres Vaters die Titelrolle in Corinne Serraus "Hase Hase", 1996 folgt am Thalia Theater in Hamburg die Mutter Courage (R: Jérôme Savary).
Auch im Film gelingt Thalbach der Anschluß an die bundesdeutsche Szene und mit ihrer spezifischen Mischung von Unschuld, Sex und Lebenserfahrung überzeugt sie sofort in wichtigen Rollen. In Margarethe von Trottas DAS ZWEITE ERWACHEN DER CHRISTA KLAGES ist sie eine Bankangestellte, die auf eigene Faust eine Bankräuberin verfolgt, in Volker Schlöndorffs DIE BLECHTROMMEL Oskars junge Stiefmutter und Liebhaberin Maria, in Geissendörfers TV-Film die revolutionäre Tochter des Reichstagsabgeordneten THEODOR CHINDLER. Im 2-teiligen Filmessay FLUCHTWEG NACH MARSEILLE bringt Thalbach in einem langen Monolog ihre persönliche Sicht auf Anna Seghers Exil-Roman "Transit" ein.
Die größten Rollen bietet ihr Thomas Brasch in seinen Filmen. In seinem Debüt ENGEL AUS EISEN spielt sie die weibliche Hauptrolle Lisa Gabler, die in den ersten Nachkriegsjahren mit der - authentischen - Gladow-Bande die unsicheren Verhältnisse zu Raubzügen im geteilten Berlin nützt. In Braschs PASSAGIER - WELCOME TO GERMANY spielt sie 1987 die Maskenbildnerin Sofie, eine Überlebende des Holocaust.
Für ihre Darstellung der widerspruchsvollen Lotte in Dorris Dörries Beziehungsdrama PARADIES wird sie mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. In den nächsten Jahren folgt eine Reihe weiterer Hauptrollen in Kino und Fernseh-Produktionen: Als engagierte Journalistin kommt sie in dem Gentechnologie-Thriller DER ACHTE TAG (R: Reinhard Münster) einem Netz von Intrigen und Korruption auf die Spur, in DIE DENUNZIANTIN (R: Thomas Mitscherlich) spielt sie die Luftwaffenhelferin Helene Schwärzel, die den Widerstandskämpfer Carl Goerdeler verrät, und in Peter Sehrs KASPAR HAUSER überzeugt sie als die intrigante Gräfin Hochberg. Für das Fernsehspiel GEFÄHRLICHE FREUNDIN (R: Hermine Huntgeburth), eine psychologisch feinsinnige Studie der konflikthaften Beziehung zweier ungleicher Freundinnen, wird sie 1997 gemeinsam mit Corinna Harfouch mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet.
Seit Ende der 80er ist Thalbach auch als Bühnenregisseurin tätig: An der Werkstattbühne des Schillertheaters gibt sie 1987 ihr Regiedebüt mit "Macbeth", einer makabren Show um Sex, Mord und Intrigen, in der sie vor allem patriarchalisches Machtgebaren lustvoll und frech in Szene setzt. Ähnlich respektlos ist 1989 ihre Inszenierung von Brechts "Mann ist Mann" am Thalia Theater. In den nächsten Jahren folgen u.a. "Romeo und Julia" (1990, in der Bearbeitung von Brasch) und "Wie es euch gefällt" (1993), beide am Schillertheater. 1994 gibt sie mit Brechts "Die Dreigroschenoper" ein weiteres Gastspiel am Thalia Theater. 1996 inszeniert sie am Maxim Gorki Theater in Berlin "Der Hauptmann von Köpenick", wo sie für den zeitweise indisponierten Harald Juhnke vertretungsweise auch die Titelrolle übernimmt, es folgt Molières "Don Juan oder der steinerne Gast". 1997 debütiert sie in einem berliner Kulturzentrum mit Mozarts "Don Giovanni" auch als Opernregisseurin und verschreckt mit Techno-Einlagen das Publikum.
Quelle: http://www.cinegraph.de/lexikon/Thalbach_Katharina/biografie.html [Letzter Zugriff: 2008-09-03]