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Nordgiebel des Benrather Schlosses mit Uhrengruppe
Giebeluhr Schloss Benrath
Nordgiebel des Benrather Schlosses mit Uhrengruppe
Nordgiebel des Benrather Schlosses mit Uhrengruppe
Foto: Nadja Brzezina

Giebeluhr Schloss Benrath

ObjektbezeichnungUhr
Datierungum 1770
Material/TechnikStahl
Messing
Holz
Maße(H x B x T): 97 × 135 × 57 cm
BeschreibungAls architektonische Bekrönung des Nordgiebels des Corps de logis zieht das große Zifferblatt der Schlossuhr die Blicke der Besucher auf sich. Sie ist ein Werk aus der Werkstatt des Mannheimer Hofuhrmachers Johann Jacob Möllinger. Nach Möllingers Tod 1783 wurde die Werkstatt durch seine zweite Ehefrau Elisabeth weitergeführt, ehe sie den Betrieb 1787 an den Sohn Elias übertrug. In die Phase vor dieser Übergabe fällt die Fertigstellung der Benrather Schlossuhr.

Das Zifferblatt ist in einen kreisrunden Rahmen über dem großen Giebelfeld eingepasst, der auf einem mit Voluten verzierten Sockel ruht. Eine von zwei Putten gehaltene Tuchdraperie verkleidet den Rahmen. Der untere Putto liegt auf dem Giebeldach, hinter dem oberen Putto sind die beiden historischen Uhrschlagglocken aus Bronze angebracht. Das skelettierte Zifferblatt besitzt große, Möllingertypische römische Stundenzahlen, die durch zwölf heraldische Lilien getrennt werden. Aus der mit einem Strahlenkranz verzierten Mitte tritt die Zeigerleitung aus dem Dachgeschoss kommend heraus, die den Stundenzeiger trägt. Das große schmiedeeiserne Uhrwerk steht im östlichen Mansardgeschoss, im sogenannten „Uhr-Raum“, und ist mit dem Zifferblatt und den Uhrschlagglocken verbunden. Das käfigartige Gestell beherbergt drei Uhrwerke: das eigentliche Uhrwerk – mittig angeordnet – sowie links das Stundenschlagwerk und rechts das Viertelstundenschlagwerk. Der Antrieb des Uhrwerkes erfolgt mittels dreier jeweils etwa 50 Kilogramm schwerer Steingewichte, die spätestens jeden vierten Tag mit einer Kurbel von Hand aufgezogen werden müssen. Der Gewichtsschacht unterhalb des Uhrwerkes führt durch einen Seitenraum der Kapelle und endet in einem Wandschrank der Dieneretage. Die Fallhöhe beträgt etwa 10 Meter. Das Eisenpendel, welches als Sekundenpendel ausgeführt ist, hängt an einer großen Blattfeder als Pendelaufhängung. Ein Clement’scher Hakenankergang sorgt für den gleichmäßigen Ablauf und Antrieb des Pendels. Vom Seilrad des Uhrwerkes geht – um zwei Ecken geführt – die Zeigerleitung zum Zifferblatt. Ein Hilfszifferblatt am Uhrwerk gibt es nicht, die Einstellung der richtigen Zeit erfolgt durch Ausrücken des Ankers und Ablaufen lassen des Uhrwerkes, die Auslösungen der Viertelstundenschläge dienen als Orientierung für die richtige Justage. Der Viertelstundenschlag wird mittels einer sogenannten Schlussscheibe gesteuert, die Schlagfolge ist 1 Schlag, 1/2 2 Schläge, 3/4 3 Schläge, 4/4 4 Schläge mit anschließender Angabe der gezeigten Stunde durch das Stundenschlagwerk auf einer tiefergestimmten Glocke. Die Seilzüge zu den Glocken führen – wie die Zeigerleitung auch, um mehrere Ecken, durch das Dach hindurch bis zum Glockenstuhl, in dem die beiden Schlagglocken angebracht sind. Anders als bei anderen Möllinger-Konstruktionen bestehen die Räder sowie die Anbringung des Rechens im Stundenschlagwerk aus Messing. Die älteren Möllingerwerke haben Eisenräder sowie ebenfalls eine Schlussscheibensteuerung im Stundenschlagwerk. twaige nachträgliche Veränderungen sind zumindest in den vorhandenen Rechnungen nicht nachzuweisen.

Die früheste Erwähnung der Benrather Schlossuhr erfolgt in einem Brief des Schlossportiers Johann Wilhelm Heubes an den „durchlauchtigsten Churfürsten, gnädigsten Herrn“. Er bittet hier um Zahlung von Gehaltsrückständen und um eine bessere Entschädigung für das Aufziehen und die Wartung der Benrather Hauptschlossuhr und etwa 20 kleinerer Uhren und die „Zuwendung von soviel Weideland, als zur Fütterung einer Kuh erforderlich ist, warohn eine Landhaushaltung nicht wohl bestehen kann.“ Schlosspförtner Johann Wilhelm Heubes wurde 1784 von Kurfürst Carl Theodor für diverse Aufgaben am Schloss angestellt. Unter anderem für „[…] die Instandhaltung, Aufziehung und Reparierung der Haupt = Schloß = Uhr“ erhielt er 3 Carolus. Eine weitere Rechnung dokumentiert eine Reparatur aus dem Jahr 1861. Stadtuhrmacher Carl P. Bay aus Düsseldorf wandte sich „an die Königliche Regierung, hier, über die Wiederherstellung der im Schloße Benrath befindlichen 9 Uhren“ und berichtet von seiner Arbeit an der Schlossuhr: „[…] an der Thurmuhr, ausfüttern der 4 Zapfenlöcher im Gehwerk, reparieren und befestigen der Brücken im Zeigerwerk […], auseinandernehmen abschleifen des Getriebs und Wellen, auskochen des Uhrwerks und entrosten sämtlicher Eisenwerk […] 40 Thaler.“

Erst in den 1950er Jahren begann man damit, den außerordentlichen Wert der Uhr anzuerkennen und brachte sie mit Johann Jacob Möllinger in Verbindung: „[…] und über die Stufe des Dachbodens, dieser erstaunlich weiträumig, hier auch das Werk der alten Schlossuhr; wahrscheinlich ein Werk von Jakob Möllinger aus Schwetzingen.“ (Klein 1952, S. 92) 1954 gab die Stadt Düsseldorf die Reparatur der alten Schlossuhr bei der Firma Telefonbau und Normalzeit in Auftrag. Das für Empfänge der Landesregierung gedachte Schloss sollte auch einen funktionierenden Zeitmesser besitzen. Für die Reparatur der alten Uhr bzw. die Erneuerung der Mechanik wurde die Turmuhrenfabrik Eduard Korfhage & Söhne Buer bei Osnabrück herangezogen. Eine Besichtigung der Anlage fand im September 1955 statt. Im entsprechenden Bericht heißt es: „[…] die Uhr geht, jedoch sehr ungenau. Es müsste, damit man sie weiteren Generationen erhält, einige Lagerstellen erneuert werden, vielleicht auch einige Wellen- und Räderpaare. Uhr ist 200 Jahre alt. Neue Uhr kommt nicht in Frage, da historischen Wert. Als Zeitmesser nicht mehr zeitgemäß“. Die Uhr wurde nach vollständiger Demontage am 07. Mai 1956 nach Benrath zurückgebracht und wieder in Betrieb genommen.

Die alte Möllinger-Uhr hat aufgrund des Umstands, dass das Schloss nur wenig bewohnt wurde, die längste Zeit ihrer Existenz stillgestanden. Ein Artikel des Benrather Tageblatts unterstreicht diese Tatsache: „[…] wer weiß aber zum Beispiel, dass die Uhr über dem Hauptportal von Peter (sic) Möllinger aus Schwetzingen stammt? Umso mehr sollte man die in Vergessenheit geratene kostbare Uhr mit dem selten klangvollen Glockenschlag wieder ingang bringen. Die Uhr zeigt seit Jahrzehnten nicht mehr die Stunde an“.

Aufgrund ihrer Konstruktion entbehrt die Möllinger-Schlossuhr der heute üblichen Präzision; Temperaturschwankungen und Wetterumschwünge setzen ihrer Genauigkeit zu. Das technische Denkmal ist vermutlich die letzte noch in Betrieb befindliche Turmuhr von Johann Jacob Möllinger. Nach erneuten Restaurierungen 2003 und 2017/18 befindet sich der höfische Taktgeber heute in einem guten Zustand und erfreut die Schlossbesucher und Anwohner Benraths mit seinem viertelstündlichen Uhrschlag.

Bearbeiter: Christian Schnurbus
KlassifikationAlltags- und Gebrauchsgegenstand - Technisches Gerät
EntstehungsortPfalz
Herstellungsort
  • Neustadt an der Weinstrasse
  • Rheinhessen-Pfalz
  • Rheinland-Pfalz
  • Deutschland
© UrheberCC BY-SA Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International
CopyrightFoto: Nadja Brzezina
Literatur/QuellenKlein, Adalbert: Schloss Benrath. Die alten Schlösser und das neue Jagdschloss (Rheinisches Bilderbuch), hrsg. von der Landesbildstelle Niederrhein, Ratingen 1952, S. 92.;
Abeler, Jürgen: Meister der Uhrmacherkunst. Über 20.000 Uhrmacher aus dem deutschen Sprachgebiet mit Lebens- oder Wirkungsdaten und einem Verzeichnis ihrer dem Autor bekannten Werke, Wuppertal 2010, S. 388 f.
PublikationenKurfürstliche Zeitmesser. Uhren aus der Sammlung von Schloss BEnrath, herausgegeben von Stefan Schweizer, mit Texten von Christian Schnurbus, Düsseldorf 2020, S. 32 ff.
ObjektnummerBEN.B 2018/1
BEN.B 1980/8.1 - Detailansicht des Zifferblatts
Tomas Pandträ
um 1715
BEN.B 1999/5 - Carteluhr
Charles-François Barbier le Jeune
um 1770
BEN.B 145 - Niederländische Standuhr
Gossen & Smolders a Geertrujdenberg
um 1760
BEN.B 2020/1 - Tischuhr
Wilhelm "Guilleaume" Cornille
um 1770
BEN.GKM-PO-2001/3 - Porzellanpendule mit Blumendekor
Königlich Sächsische Porzellan-Manufaktur <Meißen>
nach 1750
BEN.B 161 - Diana-Pendule, auf dem Kamin des westlichen Gesellschaftsraums von Schloss Benrath
Pierre Philippe Thomire
um 1820
BEN.B 1968/1 - Portaluhr
Jean Caillaud
Ende 18. Jh.
BEN.B 2006/3 - Pendule "Au Jardinier"
Unbekannt
1820er Jahre