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Schriftstellernachlässe
Korrespondenz von Carl Spitteler an Carl Enders
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Korrespondenz von Carl Spitteler an Carl Enders

Absender*in (CH, 1845 - 1924)
Empfänger*in (DE, 1877 - 1963)
Datierung1908
BeschreibungLuzern, den 2.5.1908:

Hochgeehrter Herr, lieber Collega,
Gewiss haben Sie Recht, in meiner Nichtbeantwortung Ihres auszeichnenden Briefes alles andere eher als Gleichgültigkeit u. Missachtung zu suchen. Wie könnte ich auch. Leben doch die Liebenswürdigkeiten u. Zuvorkommenheiten, die ich in Bonn erfahren durfte, treu und warm in der Erinnerung meines Herzens noch, und auch Ihrer, hochgeehrter Herr, erinnere ich mich gar wohl mit besonderer Sympathie. Warum ich dann also damals nicht geschrieben?
Ach Gott, wie es so geht: die Aufgabe der Selbsteinstellung erschien mir gerade in jenen Tagen zu schwer; vielleicht nahm ich die Aufgabe wohl schwerer u. ernster als Sie sie meinten. Ich verschob sie auf freiere Zeiten u. Sie wissen wie es geht wenn einmal etwas aufgeschoben worden ist. Ablehnen wollte ich aber auch nicht, ich hoffte, dass der günstige Augenblick noch kommen werde u. s. w.
Und nun zur Sache: Mein lieber Collega, ich kann nicht auf Wunsch über mich selbst schreiben, außer es handle sich um kleine äußere Notizen, wie ich sie an verschiedenen Stellen schon gegeben habe. Allein so Äußerlichkeit gerade Ihnen zu geben, schiene mir nicht ehrerbietig u. höflich genug. Tiefere Einblicke aber zu geben, das nun kann ich nicht wann ich will. Es handelt sich ja dabei um eine literarisch-biographische Aufgabe, um ein Werklein in Miniatur, aber mit Tieflicht. So etwas kann ich nun nur schreiben, wenn michs von innen zwingt, wie man Poesie schreibt. Sprechen ist es anders. Ich habe in Bonn aus dem Stegreif gesprochen u. wären Sie bei mir im Zimmer so wollte ich Ihnen herzlich gerne alle Aufschlüsse geben die Sie mögen, mehr sogar. Allein wenn ich z. B. niederschreiben wollte was ich in Bonn gesprochen, so würde mich das wochenlange Sorgen u. Bemühungen kosten. Ich schwatze mitunter, rede wenig, schreibe Prosa entsetzlich ungern u. schwer. Nun trifft es sich freilich, dass gerade in letzter Zeit sich bei mir die Notwendigkeit gemeldet hat über mein Schaffen zu orientieren. Ich habe es niedergeschrieben, in Hamburg gekürzt vorgetragen u. es soll im Laufe des Sommers in Druck erscheinen. Nun meine Gegenfrage: wollen Sie den Druck abwarten? oder soll ich Ihnen zum persönlich u. vertraulichen diskreten Gebrauch vor dem Druck eine Abschrift des Manuskriptes herstellen lassen? Oder ziehen Sie kurze mehr äußere aber sofortige Notizen vor?

In Freundschaft und Hochachtung
Carl Spitteler

Luzern, den 11.7.1908:

Hochgeehrter lieber Collega,
Dank für liebenswürdigen Brief u. freundliche Privatmeldung. Gegenwärtig bin ich auf Erholung nach strengem Arbeiten bedacht; Ruhe ist jetzt meine erste Nervenpflicht. Wie ich nun Ihrem erneuten Anliegen entsprechen soll, weiß ich nicht recht. Eine größere Arbeit hierfür ist mir gegenwärtig nicht erlaubt, meine Kraft gehört der Umarbeitung meines Olymp(ischen) Frühlings. Etwas Kleineres tät ich schon gern, habe auch das Gefühl, ich könnte sehr leicht etwas geben was Ihnen dient. Aber ich weiß nicht genau was, Ihre Wünsche lassen mir zu viel Spielraum. Und das Biographisch-Literarische woraus Sie zu zielen scheinen, ist etwas gar zu Wichtiges, verlangt gar zu gewaltige Anstrengung. Begrenzen Sie mir meine Aufgabe enger, dann geht's vielleicht. Inzwischen der Aufsatz Mein Schaffen im Kunstwart erschienen.

Mit kollegialem Gruß
Ihr Carl Spitteler

Luzern, den 31.8.1908:

Hochgeehrter Herr,
ich glaube jetzt wirklich etwas zu haben, was Ihrem Wunsche entsprechen dürfte nämlich einen autobiographischen Aufsatz: Die Musik mein Lehrmeister. Diesen schicke ich Ihnen heute zu, Sie dürfen damit, wenn er Ihnen dient, machen was Sie wollen, falls Sie nur auf die eine Bedingung eingehen, dass Ihre Veröffentlichung nicht den Buchabdruck im nächsten Winter hindert. Nämlich dieser Aufsatz gehört in mein Buch, das ich nächsten Winter veröffentlichen will. Sollten Sie diese Bedingung nicht annehmen können oder sollte Ihnen der Aufsatz inhaltlich nicht dienen, so bitte ich höflichst um sofortige Zurücksendung behufs anderweitiger Benutzung.
Aber nicht wahr, hochgeehrter Collega, hiermit habe ich Ihnen doch wenigstens meinen guten Willen mit der Tat bewiesen? Denn der Aufsatz ist durch Ihren wiederholten Wunsch veranlasst worden. Ich habe ihn für Sie speziell gemeint.
Mit der Bitte mir auch fernerhin Ihre liebenswürdige, freundschaftliche Gewogenheit bewahren zu wollen, verbleibe ich in ausnehmender Hochachtung.

Ihr ergebener Carl Spitteler

Der Aufsatz geht mit derselben Post an Sie ab wie dieser Brief

Luzern, den 13.9.1908:

Hochgeehrter Herr,
zur Nachricht: Ende September spätestens 1 Oktober, also in circa 14 Tagen verreise ich auf zwei Wochen. Folglich wenn Sie mir etwas mitzuteilen oder zu senden haben, vorher.

Mit ausgezeichneter Hochachtung
Carl Spitteler

aus: Horstmann, Christina: Die Literarhistorische Gesellschaft Bonn im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Dargestellt am Briefnachlaß von Carl Enders, Bonn, Bouvier, 1987
KlassifikationArchivalie - Korrespondenz
Anzahl/Art/Umfang4 eigenhändige Briefe mit Unterschrift ; 4 adressierte Briefumschläge
AbsendeortLuzern
ObjektnummerHHI.2010.1000.331