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Stehende hinduistische Göttin (?), 12. Jahrhundert oder später
Stehende hinduistische Göttin (?)
Stehende hinduistische Göttin (?)
Kunstpalast, Düsseldorf, Foto: LVR-Zentrum für Medien und Bildung, Stefan Arendt, 2011

Stehende hinduistische Göttin (?)

ObjektbezeichnungSkulptur
Datierung12. Jahrhundert oder später
Material/TechnikBronze mit graugrüner Patina

MaßeH 18, B 4,6, T 3,9cm

BeschreibungVielleicht ist es die Abbildung einer Uma oder Parvati, Ehefrauen Shivas. Sie trägt keine Khmer-Krone, dafür auf der Stirn ein drittes Auge, ein Kennzeichen Shivas; bei Buddha ist es die Urna. Der Haarbüschel erklärt die Skulptur wohl als Abbild der Gemahlin des hinduistischen Gottes.
In ihrer Rechten hält sie wahrscheinlich einen Lotus.* Das Attribut der linken Hand ist nicht mehr zu benennen. Auffällig ist ihr überaus mariniert wirkender, zu zwei übereinander präsentierten Zipfeln gefalteter Wickelrock - was als Entstehungsort eher nach Lopburi weist - wie ihr ungeheuerer Dekorationswillen.

Diese Kleinbronze ist ein Beispiel für die Problematik unkontrollierter Grabungen, die undokumentiert bleiben und deren Fundergebnisse für die kunstgeschichtliche und archäologische Forschung verloren sind und im Kunsthandel auftauchen. Was naturgemäß einen kaum wiedergutzumachenden Verlust an geschichtlicher Information zur Folge hat.
Für diese Kleinskulptur lässt sich daher nicht eindeutig sagen, ob es sich bei ihr nun um die ein wenig überzogene Rezeption der Khmer-Skulptur in Siam, nämlich Lopburis oder ob es sich um ein Stück der unmittelbaren Historie Angkors handelt. Das quadratische Gesicht und die zusammengeführten Augenbrauen könnten für ein Werk im Angkor Wat-Stil sprechen.

Siam: Lopburi-Stil
Die Werke des Lopburi-Stils stammen aus dem ca. 7. bis 14. Jh. In ihrer religiösen Ausprägung sind sie ein Konglomerat des Theravada- und des Mahayana-Buddhismus sowie aus Vorbildern des Hinduismus entstanden. Zudem vereinen sie Bildvorstellungen der Khmer sowie der Mon-Völker. Dabei sind sie ein später Nachklang der von der letztgenannten Volksgruppe, den Mon, bestimmten Dvaravati-Periode.
Zu Anfang des 11. Jh. verfügten die Khmer im alten Zentral-Siam über die Macht. Sie ließen sich in der Mon-Hauptstadt Lopburi nieder und drängten die ursprünglichen Bewohner zurück. Die Mon konnten daher nur noch den Norden durch ihre eigene Kultur weiterhin gestalten, während die anderen Teile Siams fast vollständig von der bis in das 13. Jh. dauernden Herrschaft der Khmer überdeckt sowie durch deren Kultur dominiert wurden. Daher sind die Plastiken der Lopburi-Periode ganz unmittelbare Zeugen der Khmer im alten Siam. Teilweise ähneln sie sich so stark, dass nicht immer mit letzter Sicherheit zu entscheiden ist, ob es sich um ein Werk der Khmer aus dem Gebiet des heutigen Kambodscha handelt oder um ein Beispiel der Kunst Lopburis.
Eines der Hauptmerkmale des Lopburi-Stils ist die Konzentration auf den Gesichtsausdruck, zudem sind es die großen Locken meist stehender Buddhas und die zusammenlaufenden Augenbrauen. Die Betonung des Antlitzes ist zweifellos durch den Khmer-Bayon-Stil vom Ende des 12. bis zu Anfang des 13. Jh. aus der späten Angkor-Phase hergeleitet. Ein ganz charakteristisches Zeichen des Lopburi-Stils ist auch die in ihm zu findende, aus dem indischen Pala-Stil, Mitte des 8. bis zum 12. Jh., entlehnte Darstellung eines Diadem tragenden Buddhas, wie er in der Khmer-Sakralkunst ebenfalls zu finden ist. Zudem ist es seine oft etwas nachdeutende bildnerische Haltung in einer Gestaltauffassung, der das Rezipierende, darin Nachahmende und eine auch nicht selten festzustellende Übertreibung, etwa im auffälligen, geradezu wörtlich zu nehmenden Figurenschmuck anzumerken ist.
Auch ist es eine Übernahme und die Transformation der Kulturauffassung der Khmer. Zu ihr gehörte das alles überragende des Indischen in den Buddha-Bildern, zudem die Darstellung von Bodhisattwas und männlicher wie weiblicher, nunmehr hinduistischer Götterdarstellungen: Abbilder Shivas oder jene der Uma und Parvati, seine Gattinnen.

Die bedeutendsten Sakralwerke der Khmer sind ihre Tempelberge. Daher werden die Perioden ihrer Kunst auch nach wichtigen Tempeln benannt. Die berühmtesten sind jene von Angkor Wat. Der höfische Charakter der Khmer-Kunst unterscheidet sich von dem anderer Kulturleistungen Asiens. Denn die Khmer-Kunst war ein religiös unterfüttertes Regierungsprogramm und eine Kulturvorstellung, welche Tempelbauten wie skulpturale Werke auch mit dem Khmer-Gottkönigtum verbanden. So können ihre hinduistischen Werke Sinnbilder von Herrschern darstellen. Unter Jayavarman VII. (1181 bis nach 1206 o.1220?) nahmen sie die Anmutung eines buddhistischen Heiligen an. Den Khmer-Königen wurden zudem Sakralstätten für die Verehrung nach ihrem Tode gebaut. Mit Ausnahme der Buddha-Darstellung sind ihre Kultbilder meist stehend, in starrem Gestus und mit nacktem Oberkörper vermittelt. Diese schematisierte Unbeweglichkeit wird besonders durch eine auf konsequente Vorderansicht ausgerichtete Darstellung angestoßen. Die Skulpturen waren farbig gefasst, oft auch vergoldet und hatten daher eine andere Vermittlung als heutzutage. Betonte Lippen bilden das berühmte Lächeln Angkors.

Der Hinduismus blieb im Wesentlichen auf Indien beschränkt. Allein auf Südostasien, die Kunst der Khmer und auf den indonesischen Inselarchipel, dort im Besonderen nach Bali und nach Ostjava, strahlte er aus. Mit dem hinduistischen Glauben und seiner Praxis ist durchaus auch Genuss in der Lebensgestaltung verbunden, gepaart mit grundsätzlicher, freilich nicht immer angewandter Toleranz gegenüber anderen Glaubensvorstellungen.

Auch den Hinduismus prägt - wie den Buddhismus oder den Jainismus - der Glaube an die Lehre des Karmas, nämlich das von ihm vertretene Prinzip von Ursache und Wirkung. Zudem vereinen die gennanten Religionen das Wissen um eine Wiedergeburt sowie der Glaube an die Möglichkeit, aus ihrem Kreislauf durch Erlösung auszutreten und den Zustand des Nirwanas zu erreichen.

Das heißt, diese drei Religionen - Buddhismus, Hinduismus und Jainismus - haben neben dem schon angesprochenen Ziel der Erlösung und der erwünschten Erleuchtung, den von ihnen allen ebenso gewünschten Verzicht auf eine Wiedergeburt gemeinsam.
Und dies ganz im Gegensatz etwa zum Christentum. Denn dessen Leistung ist ja geradezu durch das Versprechen und die Hoffnung auf ein neues Leben geprägt. Seine Heilsbotschaft hält damit ein Angebot bereit, die des Menschen immanente Angst vor dem Tode zu überwinden, zumindest diese zu lindern.

Die ersten überkommenen Aufzeichnungen des Hinduismus, die Veden, Sanskrit, Wissen, Rigveda, Samaveda, Yajurveda sowie Atharveda aus der sogenannten frühvedischen Zeit, etwa ab 1500 v. Chr. sind die Grundlage indischer Philosophie überhaupt. Aus dieser Gedankenwelt entwickelte sich wohl im 5. Jh. v. Chr. der in der heutigen Form gelebte Hinduismus. Das erste Jahrtausend v. Chr. ist auch jener Zeitraum, in dem weitere seiner wichtigen Abfassungen, die Puranas und die Upanishaden, entstanden.
Die Blütezeit des Hinduismus wird ab Ende des 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung angesetzt und im indischen Mutterland durch das Fortschreiten des Islam teilweise wieder zurückgedrängt. Der Hinduismus unterscheidet in seinen schriftlichen Quellen zwischen offenbarten Texten, Shruti, Sanskrit, das Gehörte sowie den nicht offenbarten Smriti. Zu den namentlich geläufigeren gehört die Bhagavad-Gita, spirituelles Lehrgedicht aus 700 Versen in 18 Kapiteln.

Zu den Eigenarten des Hinduismus gehört auch eine übliche intensive Bindung an einen geistlichen Lehrer beziehungsweise Guru. Zu den Hauptgöttern seines überaus vielgestaltigen Pantheons gehören Brahma, Shiva und Vishnu.

Ist in Indien oder anderen Ortes der hinduistische Tempel ein beredtes Zeugnis des unabdingbar verknüpften und einander bedingenden Zusammenspiels architektonisch-skulpturaler Inszenierung, in dem die Welt der Götter der Sphäre des Menschen begegnet, sie heiligt und tausende Figuren in unzähligen Bändern innerhalb eines skulpturalen wie architektonischen Gesamtplans neben und übereinander platziert, dabei optisch wie faktisch miteinander verbunden sind, ist die hinduistische Figur der Khmer-Kultur eher ein als Einzelgestalt angelegtes Ereignis, welches im Zusammenhang eines Altars oft in Dreierkombination erscheint.

*
Das Lotus-Gewächs gilt im Buddhismus als Personifikation absoluter Reinheit, Schönheit und Heiligkeit wie als Sinnbild für Spiritualität, zudem als geistliche Anweisung nicht im Weltlichen verfangen zu sein.
Bei der sitzend, ruhenden Haltung der Buddha- oder der Mahavira-Darstellung spricht man vom Lotus-Sitz. Letztgenannter, Mahavira ist der historisch belegte Gründungsheilige (circa 599 - 527 v. Chr.) der altindischen und noch heute praktizierten Religion des Jainismus.

W. Alberg
Klassifikation3D Kunst - Skulptur
EntstehungsortAsien
Entstehungsort
  • Asia
KlassifizierungSkulptur
SchlagwortBronze
SchlagwortLopburi-Stil
SchlagwortAngkor Wat-Stil
SchlagwortLotus
SchlagwortReligion
SchlagwortGottheit
CopyrightKunstpalast, Düsseldorf, Foto: LVR-Zentrum für Medien und Bildung, Stefan Arendt, 2011
AusstellungsgeschichteDüsseldorf 2006
Mythos, Erleuchtung, Ebenbild. Skulpturen des Buddhismus und Hinduismus - Sammlung Werdelmann, Tonhalle, Grünes Gewölbe, Ehrenhof 1, Düsseldorf
ObjektnummerP 2005-1142
In Sammlung(en)
Institution Kunstpalast
ProvenienzSchenkung von Prof. Dr. Dr. h. c. Bruno Werdelmann, Ratingen, 25.10.2004
Stehender Buddha auf Plinthe
Wohl 12. Jahrhundert
Buddha-Haupt
Unbekannt
16./17. Jahrhundert
Stehender Buddha
Unbekannt
16. Jahrhundert
LIegender/sterbender Buddha
Unbekannt
Anfang 19. Jahrhundert
Stehender Buddha
Unbekannt
15./16. Jahrhundert
Buddha-Haupt
15./16. Jahrhundert