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Bild nicht vorhanden für Man Ray (Regie), ÉTOILE DE MER, L', 1928

ÉTOILE DE MER, L'

Titel EnglischStarfish, The
Regie (1890 - 1976)
Datierung1928
BeschreibungEtoile de Mer erzählt von der Begegnung eines Mannes und einer Frau, eine Liebesgeschichte, die nicht zustandekommt, ist zugleich Nachschöpfung eines Gedichts von Robert Desnos, zu dessen Verfilmung Man Ray sich spontan entschlossen hatte: Im Verlauf des Abends rezitierte der sehr gesprächig gewordene Desnos einige Verse. Dann nahm er aus seiner Tasche ein zerknittertes Papier: Es war ein Gedicht, das er an diesem Tag geschrieben hatte. Er las es mit seiner klaren modulierten Stimme vor, indem er einem Gedicht so einen Sinn gab, den es, aus einem Buch gelesen, nicht gehabt hatte. Das Gedicht von Desnos ähnelte dem Drehbuch eines Films. Es hatte etwa 20 Verse, jeder zeigte ein klares Bild, losgelöst von einem Ort, von jeglicher Person (Man Ray). Etoite de Mer unterscheidet sich in seiner Aufreihung inszenierter Situationen, die nur noch flüchtig von assoziierten, handlungsfreien Bildern unterbrochen werden, deutlich vom Kaleidoskop optischer Möglichkeiten in Emak-Bakia. Etoile de Mer scheint die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit zu verwischen - doch die Möglichkeit einer solchen Wahrnehmung impliziert bereits den (gegenüber früheren Arbeiten) veränderten Zugang zur Wirklichkeit. Diese erscheint hier nicht länger als abstrahiertes Detail, als Mosaik zersprengter Bewegungseinheiten, sondern als Serie aus der Entfernung gesehener, hermetischer Situationen. Die Spaziergänge des Paars im Park, die Szenen im Schlafzimmer sind - und dies nicht nur als die Zensur antizipierende Maßnahme - durch Gelatine-Scheiben hindurch aufgenommen, wobei die gewellte Oberfläche Konturen nicht nur trübt, sondern auch verzerrt, so daß das Bild (nach Man Ray) einer Zeichnung oder Skizze gleicht. Unwirklich erscheint das beobachtbare Geschehen, die Bewegungen verschleppt, eine schimmernde Spur hinter sich herziehend. So erinnert die Gestalt auf der Treppe an Marcel Duchamps' photographische Effekte reflektierendes Gemälde Akt, eine Treppe heruntersteigend. Mit dem poetischen Bild des Seesterns (dessen Bedeutung im Verlauf des Films aufgefächert wird) und den Aufnahmen von Wasseroberflächen zusammengesehen scheinen auch die durch getrübte Scheiben gefilmten Szenen Unterwassercharakter anzunehmen. Es vermischt sich die Frau auf dem Bett ausgestreckt liegend, dazu der Text: Vous ne revez pos. Wenn auch der Umgang mit der Schrift (deren Größe und Stil sich entsprechend dem Szenen-Kontext verändert, wobei der graphischen Wirkung ebensoviel Bedeutung beigemessen wird wie der Aussage) noch an dadaistische Stileigenarten erinnert, so weist der Text/ Bild-Zusammen- hang doch in eine andere Richtung: Variationen über die Blume, den Seestern, die Frau knüpfen eine Verbindung, die die Textaussagen über die Unberührbarkeit der Schönheit und die Unmöglichkeit der Liebe bildlich erweitern. Nature morte- Bilder erscheinen kehrreimartig, treffen auf die Verse si les fleurs étaient en verre / bette, belle comme une fleur de verre / belle comme une fleur de chair. Während eine konkrete Umsetzung der Textmetaphern an mancher Stelle das filmische Thema weiterentwickelt (die Frauengestalt hinter Flammen: belle comme une fleur de feu) führt die vollkommene Entsprechung von Wort und Bild andernorts zur ironischen Distanzierung, eine falsche Fährte, die unversehens mit der Schwarzblende endet -wie im Fall eines Schwenks über Trottoir und Mauern ("Les murs de la Santö"). Statt der im Gedicht angesprochenen Zähne entblößt die geheimnisvolle Frau ihre Beine. Vereinzelte Anklänge an dadaistisch-'sinnlose' Form-Analogien - etwa zwischen dem Seestern und den in den Zeitungstext eingedruckten Sternchen - weichen einer mehr symbolischen Betrachtungsweise. Wie Emak Bakia oder Ballet Mecanique operiert auch Etoile de Mer mit der Konfrontation vertrauter Gegenstände in einem fremdartigen Zusammenhang, der Dynamisierung und Verselbständigung von Objekten. Dominiert wird dies Verfahren jedoch von einem Text- und Gesten Ensemble, das den Motiven (z. B. des Glases oder des Spiegels) Bedeutung verleiht, diese durch Loch-/ Schwarzblenden und Doppelbelichtungen akzentuiert. Der im Glas aufbewahrte Seestern konzentriert auf diese Weise den verborgenen Sinn, Wort-Assoziationen im Durchgang durch die fragmentarische Erzählung: Qu'elle était belle ... Judith Klinger aus: Programmheft des Symposiums "Hochzeit der Künste"
(Quelle: Filmmuseum Düsseldorf)
KlassifikationTon/bewegtes Bild - Werk
Produktionsland
  • France
FilmgenreAvantgarde
FilmgenreKurzfilm
Literatur/Quellengleichnamiges Gedicht von Robert Desnos
ObjektnummerFM.Film.7122
Abteilung FM Filme