Wolfgang Sawallisch
Wolfgang Sawallisch wurde nach dem Abitur zum Kriegsdienst eingezogen. Mit dem Klavierspiel hatte er schon in früher Jugend begonnen. Zu seinen Lehrern gehörte u. a. Wolfgang Ruoff. In die theoretischen Fächer der Musik wurde er vor allem von Prof. Dr. Hans Sachße eingeführt. 1946 absolvierte er ein Semester an der Staatlichen Musikhochschule München unter der Leitung von Prof. Joseph Haas und legte anschließend das Staatsexamen ab. Weitere Studien betrieb er bei Rosbaud und Markevitch.
Als Pianist machte Sawallisch erstmals 1949 auf sich aufmerksam, als er zusammen mit Gerhard Seitz (Violine) den 1. Preis für ein Sonatenduo beim Internationalen Musikwettbewerb in Genf gewann. Seine Dirigentenlaufbahn begann Sawallisch Anfang 1947 als Korrepetitor und Kapellmeister am Stadttheater Augsburg. Nach einer dreijährigen Dirigentenzeit in Salzburg war er zwischen September 1953 und 1958 Generalmusikdirektor und musikalischer Oberleiter in Aachen. Einer größeren Öffentlichkeit wurde durch ein Konzert der Berliner Philharmoniker bekannt. Zwei Jahre später wurde ihm mit demselben Orchester bei den Edinburgher Festspielen erstmals internationale Anerkennung zuteil. Sawallisch hat seither als Gastdirigent alle großen europäischen Eliteorchester geleitet und war weltweit an allen großen Opernbühnen tätig. In den 1950er Jahren gab er jährlich Abonnementskonzerte mit den Berliner Philharmonikern, veröffentlichte Schallplatten bei Columbia-England und Electrola-Deutschland, wirkte 1956 und 1957 bei den Luzerner Festspielen mit und debütierte 1957 in Bayreuth mit "Tristan und Isolde".
Anfang 1958 wurde er Generalmusikdirektor des Hessischen Staatstheaters in Wiesbaden (bis 1964). Daneben wirkte er von 1960 bis 1964 als Generalmusikdirektor der Städtischen Bühnen Köln. In Köln übernahm er 1961 auch eine Professur für Dirigieren an der Musikhochschule. Darüber hinaus wurde er 1961 Generalmusikdirektor des Philharmonischen Staatsorchesters in Hamburg und Hamburgischer Generalmusikdirektor (bis 1973) sowie 1960 Chefdirigent der Wiener Symphoniker (bis 1970).
In den 1960er Jahren widmete sich Sawallisch verstärkt der Einspielung von Schallplattenaufnahmen (Columbia, Electrola, Philips). Er gastierte damals in mehreren westeuropäischen Ländern, in den skandinavischen Ländern, in den USA und mehrmals in Japan. U. a. dirigierte er im Mai 1970 Beethovens "Missa solemnis" im Petersdom in Rom in Anwesenheit von Papst Paul VI.
Seit Anfang 1969 war Sawallisch zunächst beratend, später als Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper tätig. Im September 1970 übernahm er auch noch die Leitung des Orchestre de la Suisse Romande als Nachfolger von Paul Klecki (bis 1980). Bis zum Amtsantritt des neuen Münchner Opernintendanten August Everding fungierte Sawallisch ab Okt. 1974 zwei Jahre lang auch als kommissarischer Leiter der Bayerischen Staatsoper. Ein Angebot, für Everding als Intendant an die Hamburger Oper zu gehen, hatte er kurz zuvor ausgeschlagen. Sawallischs Verhältnis mit Intendant Everding blieb nicht ohne Spannung - Anfang 1980 wurde eine Lösung gefunden: 979 sah sich S. sogar zu einer Rücktrittsdrohung veranlaßt. Ab der Spielzeit 1982/83 wurde eine - wenn auch umstrittene Lösung gefunden: Everding übernahm die neugeschaffene Position eines Generalintendanten, Sawallisch wurde künstlerischer Leiter und Direktor der Bayerischen Staatsoper.
Sawallisch zählte anfangs zu den Vorreitern der (gemäßigten) Moderne, bekannte sich dann aber als Opernchef eher zur Tradition des deutschen Ensemble- und Repertoire-Theaters und ließ oft Skepsis gegenüber dem experimentellen Regietheater erkennen. Dessenungeachtet konnte die Münchner Oper unter seiner Leitung ihren Ruf als glanzvolles Musiktheater, vor allem als Strauss- und Wagner-Bühne, weiter festigen. Meriten sammelte er u. a. mit der Aufführung des kompletten Opern-Werkes Richard Wagners (1982/83), für die Münchner Festspiele 1988 bereitete er die Aufführung aller Opern von Richard Strauss vor. Viel Beifall erhielt die Bayerische Staatsoper bei einer Gastspielreise mit Mozarts "Zauberflöte" und "Figaros Hochzeit" in der VR China (1984) und zu einem Riesenerfolg wurde u. a. auch das Gastspiel der Staatsoper bei den Ostberliner Festtagen 1987 mit Hindemiths "Cardillac" und Rossinis "La Cenerentola". Erwähnt sei schließlich noch die triumphale Tournee der Bayerischen Staatsoper in Japan im Nov./Dez.1988.
Neben seiner Tätigkeit an der Bayerischen Staatsoper blieb Sawallisch ein weltweit gefragter Gastdirigent. U. a. leitete er im Okt. 1986 in Tokio das 1.000. Abonnement-Konzert des japanischen NHK-Rundfunkorchesters. Im Febr. 1990 leitete er eine triumphale Aufführung der "Meistersinger" an der Mailänder Scala. Immer wieder trat er außerdem als exzellenter Klavierbegleiter und Kammermusiker hervor.
Im Sept. 1990 gab Sawallisch bekannt, nach Ablauf seines Münchner Vertrages als Nachfolger von Riccardo Muti 1993 die Leitung des angesehenen Philadelphia Orchestra zu übernehmen. Der scheidende Dirigent, der in Japan, wo er seit Jahrzehnten verehrt wird, gemeinsam mit dem Staatsoper-Ensemble 1992 noch das erste japanische Opernhaus in Nagoya einweihen konnte und der im selben Jahr zum Ritter der französischen Ehrenlegion für seine Verdienste im "Erhalt der spezifisch europäischen und deutschen Emotionalität" im Musikbereich ernannt worden war, wurde vom bayerischen Kultusminister Hans Zehetmair in einer Abschiedsrede im Dez. 1992 für seine "epochemachenden" Leistungen geehrt. Z
Aus Anlaß seines 70. Geburtstags in den Medien als klassischer, nahezu besessen musikverbundener "Kapellmeister" gewürdigt und für seinen Traditionalismus und Perfektionismus auch in den USA geschätzt, eröffnete Sawallisch im Sept. 1993 mit dem Philadelphia Orchestra die 103. Saison in der New Yorker Carnegie Hall, wo er vom Publikum stürmisch gefeiert wurde. Der in seiner Heimatstadt häufig des Konservatismus gescholtene Sawallisch erwies sich zur Überraschung mancher deutscher Kritiker als dynamisch, offen für die neuere amerikanische Musik und anpassungsfähig in den amerikanischen Orchesterstrukturen und wurde von US-Medien vielfach als Bereicherung der amerikanischen Musiklandschaft (New York Times) gepriesen. Neben den 16 Wochen pro Jahr beim Philadelphia Orchestra, mit dem er 1995 während einer Europatournee auch in Deutschland zu erleben war, dirigierte er u. a. noch regelmäßig die Berliner Philharmoniker und alljährlich einen Monat das NHK-Symphonie-Orchester Japans, wo der deutsche Dirigent, auch als Gründer und Ehrenpräsident der japanischen Richard-Strauss-Gesellschaft, weiter mit Ehrungen überhäuft wurde.
Im März 1997 kündigte S. an, innerhalb der nächsten drei Jahre als musikalischer Leiter des Philadelphia Orchestra zurücktreten zu wollen. es gab aber eine Vereinbarung über eine weitere Zusammenarbeit. Nach jahrelanger Abwesenheit von München kehrte er zu den Osterfestspielen 1998 für ein Symphoniekonzert an das Pult seines ehemaligen Orchesters der Bayerischen Staatsoper zurück, nachdem er bereits im Juli 1997 als Star des Klassik-Open-Air-Konzerts auf dem Münchner Königsplatz aufgetreten war.
Quelle und weitere Informationen: Eintrag "Sawallisch, Wolfgang" in Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv, URL: http://www.munzinger.de/document/00000008159 (abgerufen von Stadtbüchereien Düsseldorf am 31.10.2012)