Object numberHHI.2015.G.4000.9
09 Das Paar
Autor*in
Ingrid Bachér
(DE, geboren 1930)
Date1980
Description"Das Paar" war Bachérs erster Roman nach einer längeren Phase, in der sie hauptsächlich Hör- und Fernsehspiele verfasste. Das Buch beschreibt die ungewöhnliche Liebesbeziehung Annes und Martins – Letzterer hat nach einem Autounfall die Sprache verloren. Was das bedeutet, macht die Erzählerin in eindrücklicher Weise gleich zu Anfang klar: "Nicht er rief mich zurück. Seine Worte hatten sich vom Willen gelöst."Es ist die Geschichte einer großen Liebe, die jetzt jäh aus der Bahn geworfen scheint: "Warum haben wir das nie bedacht, daß einer von uns ausscheren könnte, unansprechbar für den anderen?" Anne kümmert sich intensiv um den Kranken, muss sich gleichzeitig mit den Alltagsrealitäten abgeben, die daran hängen – etwa den Reaktionen der Nachbarn oder mit dem kühl-rationalistischen Bruder Josef, der keine Aussicht auf eine Genesung sieht und sich daran macht, Martins Haus zu vermieten, seine Gärtnerei zu verpachten.
Während Anne ihre Besuche im Hospital, ihren einsam-trostlosen Aufenthalt im leeren Haus Martins beschreibt, gibt es eine zweite Ebene im Roman – nämlich Aufzeichnungen Martins, die sie gefunden hat. Darin blickt er etwa in seine Kriegsjugend zurück, ein traumatisches Ereignis der Familiengeschichte ist die Erschießung des Onkels als Deserteur.
Oder er entsinnt sich der Zeit, als er das ziemlich heruntergekommene väterliche Anwesen übernahm, sein Bruder Josef hätte am liebsten alles abgerissen, doch Martin war der alleinige Erbe des Gebäudes. Oder die damit verbundene Rückkehr an die Niederrhein, die Bilder der Landschaft. Demgegenüber steht die Ohnmacht des Verunglückten, der nun keine Worte mehr für seine Empfindungen mehr findet und im Krankenbett eher vor sich hin vegetiert: "Gleichgültig nimmst du es hin, überläßt deinen Körper der wie automatisch ablaufenden Pflege, und zuweilen bestürzt mich die gelassene Würde deiner Hilflosigkeit."
Nur langsam kommen einzelne Worte wieder, und bald stagniert diese Entwicklung auch noch: "Du läßt dich zum Lernen der brauchbaren Worte nicht mehr verführen." Anne führt derweil einen verzweifelten Kampf mit dem Krankenhaussystem, um Martin einen Platz in einer Spezialeinrichtung zu beschaffen: "Wenn Martins Zustand sich nicht bessert, werden meine Argumente immer unvernünftiger erscheinen, mit denen ich versuche, seine Verlegung in ein Rehabilitationszentrum zu erreichen. Aber wie kann sich sein Zustand bessern, wenn er hier nicht die Behandlung bekommen kann, die notwendig wäre."
Zum allem Überfluss wird Martin, weil er ausfällig wurde, als Gefahr für sich und andere in die Psychiatrie überwiesen. Anne kündigt ihr Theaterengagement und versieht eine Halbtagsstelle in der Psychiatrie, um ihm nahe zu sein. Auch wenn Martins Zustand sich nach außen hin nicht verändert, verbindet beide doch eine tiefe Beziehung. Am Ende fliehen sie gemeinsam aus der Anstalt mit unbestimmtem Ziel.
Erschienen bei Hoffmann & Campe, Hamburg 1980.
ClassificationsDruck- und Schriftgut - Buch (gedruckt)
Curatorial RemarksBuch
Copyright DigitalisatCopyright by Ulrich Erben
Institution
Heine-Institut und Schumann-Haus
Department
HH Schriftstellernachlässe