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Redemanuskript von Johann Jacoby
Redemanuskript von Johann Jacoby
Redemanuskript von Johann Jacoby
Redemanuskript von Johann Jacoby

Redemanuskript von Johann Jacoby

NameRedemanuskript
Verfasser*in (1805 - 1877)
Date1875
Description"Meine lieben theuren Freunde! Aus Ihrer sonnigen Heimstätte sind Sie nach unserem rauhen Norden gekommen um meinen 70. Geburtstag mit mir und meinen hiesigen Freunden gemeinsam zu feiern. Aus tiefbewegtem Herzen heiße ich Sie willkommen in meiner Vaterstadt und danke Ihnen für die freudige Überraschung, die Sie mir bereitet haben. Der heutige Tag, an welchem ich so liebe Gäste aus der Ferne empfange, erinnert mich an einen anderen Tag meines Lebens, und zwar im Jahre 1862, wo ich gleichfalls durch den Besuch Berliner Freunde und auch aus diesem Kreise überrascht wurde. Aber - zwischen damals und jetzt - welch ein Unterschied! Heute kommen Sie aus eigenem Herzensantrieb, mir zum Geburtstage Glück zu wünschen - damals war es eine von der Wählerschaft Berlins abgesandten Deputation, die mich zur Annahme des Abgeordneten-Mandats bestimmen sollte. Damals, in der sogenannten Conflictszeit - heftiger, unversöhnlicher Streit zwischen Volk und Regierung. Heute sehen wir Regierung und Volksvertreter Hand in Hand. Schulter an Schulter kämpfen sie den großen Bismarckschen >CulturkampfSpeere schärfen und die Götter ehren<. Krieg und Machtanbeterei ist die Losung im Reiche der Gottesfurcht und der frommen Sitte! So wechselte die Zeit und mit ihr wechselten die Menschen! Zum Glück aber nicht alle! Sie, meine Freunde, sind trotz des Zeitenwechsels unverändert dieselben, sind sich selbst und der Freiheit treu geblieben. Und eben weil das so ist, sind wir Freunde, und Freunde bleiben wir bis an das Ende aller Tage. Klein zwar ist zur Zeit das Häuflein unserer Gesinnungsgenossen, aber um so fester, um so inniger können die Glieder sich an einander schließen : ein Kristallisationskern ist es, um den mehr und mehr die gleichartigen Elemente sich sammeln werden, und wie schwer auch die Gegenwart auf uns allen lastet - eins ist gewiß: Die Zukunft gehört der Freiheit, gehört uns! Ich freilich, der Siebzigjährige, werde schwerlich die bessere Zeit noch erleben. Ihnen aber, meine Freunde, das wünsche ich von ganzem Herzen, möge es beschieden sein, dereinst mit eigenen Augen wenigstens die lichte Morgenröthe des Freiheitstages emporsteigen zu sehen!
Besser als alle Worte sage Ihnen mein dankbarer Händedruck, wie sehr der Beweis Ihrer Freundschaft mich erhebt und erfreut, wie sehr Sie mein Herz erfrischt haben. Dr. Jacoby.
ClassificationsArchivalie - Werkmanuskript
Curatorial Remarks1 Redemanuskript mit Unterschrift
EntstehungsortKönigsberg
Object numberHHI.94.5036.113