2016 Düsseldorf Slowakisches Glas
Exhibition TextGlas spielt in der Slowakischen Republik sowohl wirtschaftlich als auch künstlerisch eine lebendige Rolle. Die 1892 gegründete Glasfabrik Rona zählt zu den größten Glasproduzenten der Welt, und die Hochschule für Kunst und Design zieht mit ihrem seit 1965 bestehenden Studienbereich Glas die Künstler nach Bratislava. Dessen Gründungsleiter bis 1979, der tschechische Künstler Václav Cigler (geb. 1929), übt mit seiner Konzentration auf das geschliffene, optische Glas bis heute den überragenden Einfluss auf die Entwicklung der Glaskunst in der Slowakischen Republik aus. Die Ausstellung im Glasmuseum Hentrich konzentriert sich allerdings auf zwei Positionen, die nicht in der Ciglerschen Tradition stehen.
Palo Macho und Jana Hojstričová arbeiten zusammen bei der Verschmelzung großer Glasplatten mit fotografischen Aufnahmen. Abbildungen von menschlicher Haut und Kleidung sind in das Glas eingebettet; das Glas ist durchsichtig und auch die Fotografien wirken diaphan, teilweise wie Röntgenaufnahmen. Bei Haut und Kleidung hingegen bleibt alle Betrachtung an der Oberfläche hängen. Oder ermöglichen sie doch tiefere Einblicke? Die Künstler zitieren Paul Valéry: „Ce qu’il y a de plus profond dans l’homme, c’est la peau“ (das, was es als Tiefstes beim Menschen gibt, ist die Haut; L’Idée fixe ou Deux hommes à la mer, 1932). Valéry ergänzt seine Beobachtung an einer Stelle um „– en tant qu’il se connaît“ (soweit er sich kennt). Das wahrhaft Tiefgründige im Menschen könne dieser nur erkennen, „en tant qu’il s’ignore“ (soweit er sich selbst übergeht).
Patrik Illo und Aleksandra Stencel haben gemeinsam Gläser für die Glasfabrik Rona entworfen. „Mit Widmung an Adolf Loos“ schufen sie eine erfrischend ironische Retro-Designserie, bei der längst totgesagte Dekortechniken, nämlich der Goldrand und der mechanisch aufgezeichnete Ätzdekor wieder zum Zuge kommen. Siebgedruckte alte Illustrationen führen auf den Gläsern zu wundersamen Begegnungen, etwa der eines Toreros mit einem Hirschkäfer. Bereits um 2001 erinnerte Illo mit einer Serie von schliffverzierten, zu Vasen umfunktionierten Einmachgläsern an die Zeit des Sozialismus in der Tschechoslowakei: Als geschliffene Gläser die heimischen Vitrinenschränke bevölkerten, und Eingemachtes aus dem eigenen Garten die Speisekammern füllte.
Für die zweite Jahreshälfte 2016 übernimmt die Slowakische Republik die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union. Die Botschaft der Slowakischen Republik in Deutschland hat die Initiative zu dieser Ausstellung ergriffen, ihr ist die Finanzierung dieses Projektes zu verdanken.
Palo Macho (geb. 1965), Freischaffender Künstler, Professor an der Hochschule für Kunst und Design in Bratislava, lehrt im Bereich Angewandte Kunst. Macho studierte an den nordböhmischen Glasfachschulen in Nový Bor und Kamenický Šenov sowie an der Hochschule für Kunst und Design in Bratislava und absolvierte in den 1990er-Jahren Studienaufenthalte in Paris. Mit abstrakter Malerei auf Glas mit strukturierter Oberfläche bereicherte er das Spektrum der slowakischen Glaskunst um ein neues Element. Konsequent fasst Macho Glas als ein Material der freien Kunst auf.
Jana Hojstričová (geb. 1972), freikünstlerische Fotografin, Mitglied des Direktoriums der Hochschule für Kunst und Design in Bratislava und seit 2007 Leiterin des Fachbereichs Fotografie. Sie studierte Fotografie an dieser Hochschule und arbeitete als Fotografin und Pädagogin. Sie begann ihre freikünstlerische Arbeit in den 1990er-Jahren. Ihr Thema ist der menschliche Körper unter dem Einfluss der Konsumgesellschaft.
Patrik Illo (geb. 1973), Chefdesigner für die Glasfabrik Rona, Lednické Rovne; Professor an der Hochschule für Kunst und Design in Bratislava und seit 2010 Leiter des dortigen Glasstudios. Er hat sein Studium an der Fachhochschule für Angewandte Kunst in Lednické Rovne und an der Hochschule für Kunst und Design in Bratislava absolviert und sich als Glasdesigner für mehrere europäische Firmen einen Namen gemacht. Seit mehr als 10 Jahren tritt Illo auch mit freikünstlerischen Arbeiten auf und kann inzwischen auf über 40 Einzelausstellungen und zahlreiche Preise zurückblicken.
Aleksandra Stencel (geb. 1987), Produktdesignerin, seit 2013 Glasdesign für die Glasfabrik Rona, Lednické Rovne. Sie stammt aus Polen und hat an der Jan-Matejko-Akademie der Bildenden Künste in Krakau Produktdesign studiert. Zugleich absolvierte sie eine Ausbildung im Glasstudio der Hochschule für Kunst und Design in Bratislava. 2013 erhielt sie den Preis der Designwoche Bratislava für die beste Kollektion.