ObjektnummerHHI.2010.1000.264
Korrespondenz von Josef Ponten an Carl Enders
Absender*in
Josef Ponten
(DE, 1883 - 1940)
Empfänger*in
Carl Enders
(DE, 1877 - 1963)
Datierung1921-1924
BeschreibungBeilage: 1 masch. Dg., o. O., o. D., 5.4.1922 - Carl Enders an Josef Ponten ; 1 masch. Dg., o. O., 19.4.1922 - Carl Enders an Josef Ponten ; 1 masch. Dg., o. O., o. D. - Carl Enders an Josef PontenMünchen, den 20.3.1922: Enders hat P. in der "Rheinischen Sammlung" nicht berücksichtigt. "(...) da die mitgeteilten Inhalte Ihrer "Rheinland-Sammlung" von Hasenclever - dessen Gesellschaft mir durchaus nicht, wie Sie zu vermuten scheinen, ein Anreiz ist - bis zum Rheinischen Antiquarius, Muellenbach und Lindenborn (die mir nun gänzlich unbekannt sind, aber ich bin kein Literarhistoriker!) Ihr Vollständigkeitsstreben beweißt, ich auch nicht bei Winkelverlegern, sondern in der Deutschen Verlagsanstalt, bei Bruno Cassirer u. a. u. S. Fischer erschienen bin, (...) so muss ich schon nach den Gründen fragen, die den Inhaber eines Lehrauftrages für Rheinische Geistes- und Literarturgeschichte" veranlassen konnte, an mir vorüberzugehen." Nach Ps Meinung scheint Enders sich nicht bewusst zu sein, "was ein Dichter seiner Würde schuldig ist. Ich will mich nicht in den sakralen Nebel eines gewissen Kreises von Literaturmachern, die sich für Dichter halten, hüllen (...), aber ich muss es ablehnen, in der von Ihnen gewünschten erschöpfenden Weise über mich Auskunft zu geben."
München, den 8.4.1922: P. betont, sein Brief vom 20.3.1922 sei als Abwehr und nicht als Beleidigung aufzufassen gewesen. Er habe das Schreiben nicht unüberlegt verfasst, sondern unter anderem auf Anraten eines Fachgenossen von Enders, der eine noch "viel schärfere Antwort" empfohlen habe. "Dieser Tage sprach ich noch über den Fall mit meinem Freunde Thomas Mann, und nach der kurzen Skizzierung (!) des Falles dürfen Sie in ihm keinen Verteidiger sehen. (ich hatte Ihren Brief nicht bei mir) In den nächsten Tagen, wenn wir wieder beisammen sind, werde ich ihm aber Ihren Brief zeigen, und sollte er sie dann verteidigen, so dürfen Sie sicher sein, dass meine Anständigkeit es nicht daran fehlen lässt, Sie davon zu unterrichten. Doch empfehle ich Ihnen nach der Kenntnis des Charakters Thomas Manns, die ich aus starker langer Beziehung besitze, sich nicht viel Hoffnung zu machen." Zu Hasenclever schreibt P.: "Nun will ich Ihnen aber auch sagen, warum die Aufführung Hasenclevers für mich kein Anreiz sein konnte. Nicht etwa weil ich Hasenclever unterschätze oder gar seiner politischen und moralischen Lebensführung irgendwelche filiströsen Vorurteile gegen ihn hätte. Ich kenne Hasenclever schon aus der Zeit, als er noch Schuljunge war (Sie imputieren mir das Wort in einem andern Zusammenhange inbezug auf Sie, das hat mich sehr geärgert!) Da kam er zu mir, (ich war eben als Schriftsteller aufgetreten) zog eine Arbeit aus seiner Rocktasche und bat um Begutachtung. Ich fand sie nicht talentlos und sagte ihm in militärischer Sprache: weitermachen. Unsere Beziehung blieb, er besuchte mich gelegentlich hier, ich stellte mit Behagen das große Talent der drei ersten Akte des "Sohnes" fest, schrieb ihm aber auf die maßlose Überhebung hin, die schon in dem Titel "Hasenclever: Antigone" lag, einen Brief, den er nicht wird hinter den Spiegel gesteckt haben. Erst recht aber hielt ich, als er mir das kümmerliche Gehirnprodukt "Menschen" schickte, mit meiner Meinung nicht hinter dem Berge - darauf erlosch die Beziehung, weil er mir zwar gestatten wollte, dass ich ihm den Pelz wüsche, aber nicht, dass ich ihn dabei nass machte. H. ist ein durch geistige und sittliche Zuchtlosigkeit vollkommen verwüstetes Talent, mit dem es seit dem "Sohn" stürzend abwärts gegangen ist. Man könnte von ihm vielleicht sagen, was Goethe von Günter gesagt hat. Aber mag er so lumpen wie er will (wir haben Beispiele, dass auch verlumpte Künstler Achtunggebietendes, ja, hin und wieder, Ehrwürdiges geschaffen haben), er ist - bis heute wenigstens - u. ich fürchte unrettbar, unreifbar - grün. Das ist wohl das Schlimmste." P. möchte dem Streit ein Ende machen, legt zur Versöhnung ein Photo von sich bei und bietet Enders die Übersendung seiner Werke an.
München, den 8.5.1922: P. hebt die Bedeutung einer "Gesellschaft für Rheinische Literatur" hervor. Ebenso hält er es "für die höchste Zeit, (...) dass eine solche Sammlung zustande kam", und erklärt, "dass es beschämend ist, wie weit das Rheinland in dieser Hinsicht hinter andern Ländern und Stämmen etwa Schwaben, wo geradezu ein Kult mit den heimischen Dichtern (...) getrieben wird, zurücksteht.
München, den 27.7.1922: Da P. aus Anlass einer Tagung des Gesamtvereins deutscher Geschichts- und Altertumsvereine vom 10.-14. September ins Rheinland reisen muss, werde er Enders Aufforderung gern Folge leisten. Über den Vortragstext sei er sich noch unschlüssig.
München, den 21.8.1923: P. schickt das "Autodafé". Er habe sonst leider nichts verfügbar, und selbst diese Erzählung sei in der "K. Z." schon abgedruckt worden. Sonst bleibe noch ein beliebiger Abschnitt aus seinem letzten Buch "Der Jüngling in Masken". P. hofft, "zur Woche in Köln" kommen zu können. "Aber wenn in den Verhältnissen sich nichts ändert, werde ich wohl nicht kommen. Denn hinein kommen ist vielleicht leicht, aber - wenn dann etwa wieder eine Sperre verhängt wird, - das Hinauskommen schwer, u. ich säße dort gefangen."
aus: Horstmann, Christina: Die Literarhistorische Gesellschaft Bonn im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Dargestellt am Briefnachlaß von Carl Enders, Bonn, Bouvier, 1987
KlassifikationArchivalie - Korrespondenz
Anzahl/Art/Umfang5 maschinenschriftliche Postkarten mit eigenhändiger Unterschrift ; 4 maschinenschriftliche Briefe mit eigenhändiger Unterschrift ; 2 eigenhändige Postkarten mit Unterschrift ; 1 eigenhändiger Brief mit Unterschrift ; 1 adressierter Briefumschlag
AbsendeortMünchen
Institution
Heine-Institut und Schumann-Haus
Abteilung
HH Schriftstellernachlässe