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Bild nicht vorhanden für ONO, 1989
ObjektnummerFM.Film.18126

ONO

Sonstiger TitelDas
Titel DeutschEs - Von Zaren und Monstern
Datierung1989
BeschreibungMit ES zeigte er wieder Zähne. Er kippte das karnevalistische Element aus der zyklischen Zeit der Folklore in die lineare Zeit der Geschichte um und vollführte einen unerhörten Trick. "Die Geschichte einer Stadt" wurde schon im 19.Jahrhundert als deutliche Anspielung auf die Geschichte des russischen Staates verstanden und als Parodie der gängigen Geschichts- schreibung gelesen. Owtscharow nahm die Verkleidung als Gestus auf und versetzte die bekannten Typen von Saltykow-Schtschedrin in das seinen Zuschauern noch vertrautere 20.Jahrhundert. Ein Verfahren, das viele nicht ohne weiteres nachvollziehen und verstehen wollen. Er verfilmte Sollykow-Schtschedrins "Geschichte einer Stadt" als die allen bekannte Historie des russischen und sowjetischen Staates, rekonstruiert am Lenfilmstudio, aus "zufällig im Archiv gefundenem Material", wie es im Vor- spann heißt. Experimente mit nachgestellten Ereignissen sind zunächst Filmexperimente- sie verstehen sich als Spiel mit der Geschwindigkeit der Bewegung, einem Dup-Negativ (um schlechte Aufnahmequalität zu suggerieren), mit "falscher" Beleuchtung, Verzerrung der Stimmen. Aber ES ist keinesfalls nur ein ele- ganter Stilisierungsspaß. Die Herrscher wechseln, das Volk bleibt. Ein kurzerTrip durch die Herrschaft der Damen (mit erkennbaren Persiflagen von Jekatcrina, Jelisaweta, Anna loannowna) endet im Staat verschiedener Herren. Der Übergang ist fließend, unmerklich. So erscheinen Lenin, Stalin und Chruschtschow (Rolan Bykow) als eine Person. Zunächst mit Subbotnik-Enthusiasmus und Kommune, dann Mehrparteienwohnung und Denunziationsepoche. Man weiß nicht genau, wo der Henker anfängt und der gutmütige Hausmeister endet. Der Staat ist eine einzige Wohnung mit langem Flur, in dem sich Shakespeare-Dramen wie billige Vaudevilles ereignen. Der Tyrann verliebt sich nämlich in die Frau eines anderen, und der brave Komsomolze wird sein Opfer. Der letzte Bauer, der versucht, dem kleinen Mann mit Pfeife zu erklären, daß das Volk bereit ist, vieles zu erdulden, aber vielleicht doch nicht so viele Tote... und das gespenstische Drei-Personen-Gericht, das ihn verurteilt- sie ver- schwinden spurlos. Nur die Operettenschüsse "hinter der Bühne" setzen den letzten Punkt. Der kleine Mann mit Pfeife verspricht, daß hier bald ein Überfluß herrschen wird. Und begegnet ausgehungerten Gesichtern. Die Bevölkerung ist fast ausgerottet, doch irgendwie ist das Leben unverwüstlich. Stalin ver- wächst mit der Figur Chruschtschows, und endlich erscheint dieser im Bild: im ukrainischen Hemd, mit dem Schuh auf das Rednerpult pochend. Auch er verkündet den Überfluß und entfaltet eine Senf-Kampagne, begleitet von Tschaikowskis Erstem Klavierkonzert. Wurst aus Senf und Schokolade aus Senf- die Reden sind menschlicher geworden, doch die Bevölkerung bleibt genauso mager. Nun taucht der nächste Verwalter auf. Oleg Tabakow als Breshnew mit der heilenden Sekretärin (alias Dshuna) und einem nachge- stellten zweiten Körper, den man vom Kopf getrennt benutzen kann. In seinem Kopf ist nur eine Spieldose funktionstüchtig, so daß der Stadt- hauptmann einen einzigen Satz auszusprechen vermag: "Ich werde es nicht dulden...". Aber das genügt. Nach ihm Andropow, der schüchterne und keusche, der ordentliche Mann im Anzug, der inmitten wüster Orgien, seien es die Drogenfeste der Jugend oder eine Sauna voller kaukasischer Mafiosi, versucht, "alles und alle zu retten". Zu spät. Die Entropie hat längst eine be- drohliche Eigendynamik entwickelt. Die unzähligen Opfer, in Flüsse ge- worfen, um einen Staudamm zu bauen, wurden zu Staub. Ein Zug, ange- führt von einem Kommunisten im Anzug, mit einer Axt in der Hand, der das morsche Gebäude abgerissen hat, schreitet nach oben. Über einen rie- sigen Müllhaufen. Die Choreografie dieses tragikomischen Karnevals endet in einem großen Loch, im Nichts, überschrieben mit ES. Ein Bild totaler Ver- wüstung: die Reste einer Stadt. Saltykow-Schtschedrins verückter Blick richtet sich in den Saal; aus: Materialien Zum 20. internationalen Forum des jungen Films, Berlin 1990, Nr. 39 Informationen s. Bibliothek: Filmmappe ONO Personenmappe Owtscharow, Sergej
(Quelle: Filmmuseum Düsseldorf)
KlassifikationTon/bewegtes Bild - Werk
Produktionsland
Filmgenre<Spielfilm>
Literatur/QuellenLiterarische Vorlage: nach Motiven von Saltykow-Schtschedrins "Geschichte einer Stadt"
Abteilung FM Filme
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