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Brief von Heinrich Mann
Korrespondenz von Heinrich Mann an Unbekannt
Brief von Heinrich Mann
Brief von Heinrich Mann
ObjektnummerHHI.94.5036.476a

Korrespondenz von Heinrich Mann an Unbekannt

ObjektbezeichnungBrief
Absender*in (DE, 1871 - 1950)
Datierung1938
Beschreibung"Sehr geehrte Herren,
erlauben Sie mir, auf Ihre Fragen eine zusammenfassende Antwort zu geben.
Die Juden werden von Hitler verfolgt, weil er einen ausgedachten Popanz braucht, um mit ihm die Leute zu betrügen. Sie sollen darüber getäuscht werden, dass sie unter dem Kapitalismus in seinem letzten, verwahrlosten Zustand leiden. In Deutschland leben noch 500 000 Juden, eine unbeträchtliche Minderheit ; nicht einmal ihre völlige Beseitigung könnte das Schicksal der Deutschen beeinflussen. Die herrschende Partei ist feige genug, gerade die Wehrlosesten als die grösste Gefahr auszuschreien und sie zu verfolgen, als ob Sie es wären.
Führende Nationen tun nichts gegen die Unmenschlichkeit in Deutschland, weil sie an Deutschland verdienen wollen. Hitler kauft bei ihnen Kriegsmaterial und bleibt das Geld schuldig. Aber infolge seiner Rüstungen müssen auch andere Regierungen Kriegsmaterial kaufen, und diese bezahlen es der deutschen und den anderen Kriegsindustrien. Hitler ist demnach ein internationaler Agent der Kriegsindustrie. Er bedient sich des nationalen Bluffs und des Rassenschwindels. In Wirklichkeit hat alles nur den Zweck, den Kapitalismus in seinem letzten, verwahrlosten Zustand noch möglichst lange zu erhalten.
Die Juden befinden sich in einem Dilemma. Wenn sie kapitalistisch gesinnt sind, müssen sie die Judenverfolgungen hinnehmen, denn diese sollen den Kapitalismus retten.
Protestieren sie gegen beides, Antisemitismus und Kapitalismus, dann verfolgt man sie wegen ihres 'jüdischen Bolschewismus'. Aber man hat dann auch Furcht vor ihnen, was die Verfolgungen einigermassen ausgleicht. Die Juden werden natürlich nicht alle antikapitalistisch werden, selbst wenn sie überzeugt werden könnten, dass es im Grunde der verwahrloste Kapitalismus ist, der sie verfolgt. Sie sollten immerhin gegen seine abscheulichsten Ausschweifungen auftreten, in erster Linie gegen die internationale Rüstungsindustrie, deren bester Agent ihr schlimmster Feind ist. Damit werden sie sich selbst am meisten nützen.
Notwendig ist eine Welt-Linksfront, die selbstverständlich den Fanatismus bekämpft und die Verbrechen gegen die Civilisation rächt. Sie muss sich aber auch um die wirklichen Hintergründe dieser Erscheinungen bekümmern und ihre Urheber zur Rechenschaft ziehen.
Die Bedohtesten und Verfolgtesten haben Grund genug, sich um eine solche Welt-Linksfront zu bemühen und ihr einmütig beizutreten.
Heinrich Mann"


KlassifikationArchivalie - Korrespondenz
Anzahl/Art/Umfang1 eigenhändiger Brief mit Unterschrift
AbsendeortNice
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